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II. Das Cousulat. 79 ehe ihn der Taumel des Ehrgeizes fortriß, durch die Ahnung einer höheren Be stimmung, eines für ihn und sein Vaterland weniger verderblichen Ruhmes angezogen ward, daß die Rolle eines Washington vorübergehend seinem Geiste vorschwebte. Auf solche Gedanken ließen seine ersten Handlungen in der inneren wie in der äußeren Politik schließen. Er suchte die heftige Parteiwulh, die bisher immer neue Diktaturen geschaffen und das öffentliche Leben durch ewige Kämpfe in Verwirrung und ruhelose Bewegung gesetzt, zu mildern, durch Ausgleichung der schroffen Gegensätze den Factionen die Schärfe zu benehmen und zugleich durch seine versöhnlichen Tendenzen der heißen Sehnsucht der Nation nach Ruhe und fester Ordnung cntgegeuzukommcn, den ungesetzlichen Ursprung der neuen Gewalt in Vergessenheit zu bringen. Das Direktorium hatte, um die hie und da hervortretendcn royalistischen Bewegungen und Kund gebungen im Keime zu ersticken, das terroristische „Geißelgesctz" erlassen, in Folge>2.2u,i i7W. dessen die Verwandten der Emigranten und ehemaligen Adeligen für alle in ihren Gemeinden oder Cantoneu vorkonimenden aufrührerischen Bewegungen und Gewaltthätigkeitcn haftbar sein und für alle Beschädigungen zu Geld strafen herangczogen werden sollten, ein Gesetz, das eine Menge angesehener Leute um Freiheit und Vermögen brachte. Napoleon hob wenige Tage nach dem Staatsstreich das zugleich grausame und räuberische Gesetz auf und öffnete selbst >r. N°°, den im Temple Eingekerkerten die Thore. Er ließ an die Beamten Weisungen ergehen, daß sie bei der Rückkehr von Emigranten ei» Auge zudrücken sollten, und setzte eine Anzahl unbeeidigter Geistlichen, die auf den Inseln Re und Oleron festgehaltcn wurden, in Freiheit. Er gestattete, daß die am 18. Fructidor nach Guyana Deportirten, welche noch nicht der Fieberluft zum Opfer gefallen waren, in die Heimath zurückkehren dürften. Doch mußten Alle, welche die vaterlän dische Luft athmen wollten, einen Cid der Treue und des Gehorsams leisten. „Es war ihm gleichgültig, zu welchen Ansichten mau sich innerlich bekannte, vor ausgesetzt daß man sich ohne Widerspruch vor seiner Person und seiner Herr schaft beugte". Daß Pichcgru und Aubry von der Begnadigung ausgeschlossen waren, hatte seinen Grund in persönlichen Motiven: Pichcgru galt als Anhänger der Bourbonen und Aubry hatte den General Bonaparte einst aus der italieni schen Armee gestrichen. Und daß der Verdacht gegen Pichcgru nicht unbegründet war, bewies er nach seiner glücklich vollzogenen Flucht nach London durch seine royalistischen Umtriebe. Vor Allem mußte dem neuen Machthaber daran gelegen sein, die Feld- Bn d« Herren, die im Auslände an der Spitze der Armeen standen, in seinen Dienst zu ziehen. Während der Vorbereitungen zum 18. Brumaire hatte er den Staats sekretär des Direktoriums, der ihm die Amtsentsagung von Barras überbrachtc, mit den Worten angefahren: „Was habt ihr aus diesem Frankreich gemacht, das ich euch so glänzend hinterlassen? Ich hintcrließ ihm Frieden und finde Krieg; ich hintcrließ ihin Siege und finde Niederlagen; ich hinterließ ihm