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II. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert. 941 seinen historischen Dramen („der Paria"; „Marino Fallen"; „die Meffenierin- nen"; „die Rückkehr des Kaisers"; „die sicilianischc Vesper"; „die Kinder Eduards"; „Don Juan d'Austria" u. A. m.), und in seinen Lustspielen („die Schule der Alten"), die romantischen Ideen mit der klassischen Form geschickt zu verbinden wußte, ein Strebe», das auch der Dramatiker Alex. Souniet (Klh- tämnestra; Saul; Jeanned'Arc) thcilte; als die talentvolle Schauspielerin Rachel, welche alle Leidenschaften der Seele mit Schrecken erregender Tiefe und Wahr heit auffaßte und darstellte, die von den Romantikern herabgesetzten Tragödien Corneille's und Racinc's durch ihr kunstreiches Spiel wieder anziehend machte, den antiken Gestalten die neuromautische Gluth einhauchend und sic in modernem Geiste wiedergebend: da gewann allmählich, wenigstens in der Bühnendichtung, die klassische Poesie wieder einen festem Boden, zumal da die bedeutendsten Ver treter der romantischen Richtung, Victor Hugo und sein Rivale, Alex. Dumas, in seinen historischen Dramen, auf der einseitigen Bahn der Uebertrcibung fortschrittc». Alexander Dumas, Sohn des uns bekannten Napolconischen Generals, Dumas eines Mulatten, gehört zu den fruchtbarsten Schriftstellern der Orlcans'schen'sos-isro. Periode, in dem sich alle Kunstrichtungen vereinigten. Das Vermögen der Familie ging nach dem Tode des Vaters durch verschiedene Unglücksfälle ver loren, so daß der junge Dumas frühzeitig auf Erwerb denken mußte. Ge neral Foy, ein Freund seines Vaters, verschaffte dem jungen Mann, der zwar wenig gelernt hatte, aber eine schöne Hand schrieb, die Stelle eines Se kretärs im Bureau des Herzogs von Orleans, wodurch er Gelegenheit fand, durch eifriges Lesen und Studircu der französischen und ausländischen Literatur sich mancherlei Kenntnisse, besonders auf geschichtlichem Gebiete anzueigucn und durch häufige Besuche des Theaters sich in der dramaturgischen Kunst aus zubilden. Seine ersten Bühnenstücke, Henry III. und sein Hof, Königin Christine und Monaldeschi fanden Beifall: der Versuch, romantische Stoffe in klassische Form zu kleiden, den neuen Geschmack mit Herkommen und Gewohn heit zu verbinden und zu versöhnen, war ein glücklicher Griff. Der Erfolg regte den Dichter zu Fleiß und Thätigkcit an; wo die eigene Erfindungskraft nicht hinreichte, halfen Entlehnungen aus andern Kunstwerken, denn er trug kein Be denken, „sein Eigenthum zu nehmen wo er es fand". So flössen denn stets neue Dramen in rascher Folge aus seiner Feder, die sich bald auf historischem Boden bewegten, wie „Katharina de Medicis", „Charles VII.", „Caligula" u. A., bald die moderne Gesellschaft in ihrer Zerrissenheit, ihren Leidenschaften, ihren sünd haften Gelüsten und Ausschweifungen, ihrer sittlichen Entartung der blasirten Welt vor Augen stellten, wie „Antony", „Theresa", „Angele", wo die Zuschauer oder Leser in die Höhlen des Lasters, der Unsittlichkeit, der bösen Gedanken und verbrecherischen Handlungen geführt werden. In «la tour äe wiesle«, wo Königin Margaretha, Gemahlin Lndwig's X. mit zwei Schwestern nächtliche blutige Orgie» feiert, wird mit dem Gräßlichen und Entsetzlichen ein frevelhaftes