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936 8. Vom Wiener Congreß bis zur Juiirenolution. er einer Anzahl lyrisch-romantischer Dichter zum Vorbilde diente. Unter ihnen sind am bedeutendsten: Thcophile Gautier, der farbenreiche Maler des Grotesken und Exrravaganten in Romanen, Charakteristiken und literarischen Portraits nach Hosmann's Manier; der Kritiker und Dichter Sainte- ,803-^8«^ B c u v c und der sprudelnde, formgewandte Alfred de Müsset; dagegen wandte sich der Bäcker Jean Reboul aus Nimcs der weichen sentimcn- irse-Ä! taten Dichtung Lamartine's zu. Muffet, ein aufgeregtes leidenschaftliches Ta lent, eine Zeulang mit George Sand verbunden, hat eine gottverlassene Welt, „die nach Fäulniß und Verwesung riecht", mit einer Mischung von Behagen und Entsetzen geschildert (contas cI'L8pg»N6 et ä'Italie; un spectaole äans urr ckauteuil u. a.). Mit psychologischer Analyse durchforscht er alle Seelenzu- stände (Loirckessioirs ck'un entant du 8iee1s). Alfred Muffet kann als echter Sohn seines Volkes, als Repräsentant seiner Nation in seiner Zeit gelten. Durch Ausschweifung und wildes Leben hat er seine Kraft vor der Zeit unter graben, ist aber gerade durch seinen frühen Tod seinem Volke nur um so mehr ans Herz gewachsen. Selbst der ernste Kritiker und Literarhistoriker Nisard, der, ein ausschließlicher und einseitiger Verehrer der alten klassischen Richtung, sich schroff abwchreud gegen die neuere Art verhält, wird weich und gefühlvoll, wenn er von diesem viclbewunderten Liebling seiner Nation spricht, „der, obwohl ganz original, doch nicht die klassische Tradition verleugnet, in welcher die Origina lität von Frankreich selbst besteht". Man hat Muffet oft und nicht ohne Grund mit Lord Byron verglichen; unter den Dichtern seines eigenen Volks steht ihm Andre Chenier am nächsten, doch hat er diesen seinen Vorgänger weit über troffen. „Musset's Poesie trägt die Spuren des Liqucur", urtheilt Julian Schmidt, „sie ist nur in einer Gesellschaft denkbar, die durch raffinirte Genuß sucht und durch ein zu frühzeitiges Leben sich alle Freude an dem einfach Schö nen verkümmert hat und nur nach überschwenglichen Emotionen jagt". Bei allen Ausschweifungen ist A. de Muffet Meister in jeder Dichtungsart, in der Lyrik (die „vier Nächte", „die Erinnerung u. a.j, in der Novelle und beson ders im Lustspiel. Seine kleinen Stücke, „Proverb-Comödien", sind wohl die charakteristischsten seiner Schöpfungen und unübertrefflich an Feinheit und Leich tigkeit der Zeichnung und Sprache. In diesen „Proverbspiclcn" spiegelt sich das moderne Leben in seiner ganzen Leichtfertigkeit, Lüsternheit und Grazie ab, aber auch die sittliche Frivolität, die Blasirthcit des Dichters, der über alle tieferen Gefühle und reineren Genüsse hinaus ist. Uns Deutsche hat Muffet in seiner bekannten Antwort auf das Becker'sche Rheinlied empfindlich verspottet. In Victor Hugo's oder Lamartine's Fußstapfcn traten auch mehrere dichtende »-'u! F'rmien, wie Elise Nie reo cur, die ihren inner» Gram in elegischen Gedichte» aushauchte, wie Marcelinc Desbordcs-Valmore, die schwermüthige Sän- i79^84°s° 6"ui klagender Liebe, deren äußere Lcbensschicksale von Kindheit an trübe und unglücklich waren, weshalb sie auch nie zu einer heitere» und freien Entfaltung