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934 n. Bom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. Menschlichkeiten, wie ini „letzten Tag eines Verurtheilten", wo die Qualen der Todesangst mit einer Virtuosität geschildert sind, welche die Phantasie krank macht, aber die Geschicklichkeit des Anatomen bewundern läßt. Nach der Februarrevolution als eifriger Fürsprecher republikanischer Ideen und Be kenner demokratischer Grundsätze in Dichtung' und Politik in die Nationalver sammlung gewählt, hat er sich durch schwungrciche Reden für religiöse und politische Freiheit hervorgethan, bis er als heftiger Gegner des Präsidenten Louis Napoleon durch seine Opposition gegen dessen Hcrrscherpläne nach dem Staatsstreiche vom 2. Decembcr 1851 zur Flucht aus Frankreich gcnölhigt wurde. Um sich zu rächen, schleuderte er aus seinem Exil das schneidende Libell: Xapolsorr le ketit und das Gedicht »168 elratiillöiits« gegen den französischen Machthaber. Gekränkte Eitelkeit, daß er nun nicht mehr die erste politische Rolle spielen konnte, zu der er sich für befähigt hielt, hat nicht wenig zu dem Haß gegen den dritten Napoleon beigetragen. Seitdem benutzte er die Muße seiner Verbannung zu mehreren größeren Werken, wie die „Welllegcnde" (1a lebende (Iss sieolas), eine Reihe epischer Bilder aus der Weltgeschichte, die „Armen und Elenden" (Iss Lliserablsch, Schilderung socialer Lebenszustände in Frankreich unter Louis Philipp in einen Roman gekleidet, und sein geistreiches Buch über Shakespeare. Nach der Katastrophe von Sedan am 2. September 1870 und der Errichtung der dritten Republik verließ er die Insel Jersey, den Ort seines vieljährigcn Exils, und begab sich wieder nach Paris, wo wir ihm später be gegnen werden. Die „Armen und Elenden" ist ein Buch voll großer Schönheiten, so z. B. die mustergültige Schilderung der Schlacht von Waterloo, und gar nicht ohne tiefere Ideen über ernste Fragen religiöser und socialer Natur, die unsere Zeit bewegen, doch hinter läßt cs im Ganzen einen unerquicklichen Eindruck und wird gegen das Ende geradezu schwach. Ein trauriges Zeichen, wohl mehr noch für die französische Gesellschaft als für den Dichter, ist es jedenfalls, daß bei all' den vielen Situationen, Verhältnissen und Personen, in denen gewissermaßen das ganze Leben einer Epoche sich spiegeln soll, auch nicht ein Bild eines gesunden und gedeihenden Familienlebens sich findet. Daher auch am Schluß der Leser nirgends weder Heilung noch Hoffnung für die Leiden und Schäden dieser Gesellschaft erspähen kann. Held und Heldin werden zwar zuletzt ein Paar, doch ist die Heldin besonders so leichten Gewichts, daß wenig Trost aus dem Gedanken an diese Ehe zu schöpfen ist. In jeder Beziehung verfehlt und sogar lang weilig ist der letzte Roman Victor Hugo's »Iss travaillsurs cks 1a nasr«. ruschwächun- Durch die genalinten Dichter hat die von deutscher Literatur angeregte, u>-bttgsng^dem christlichen Mittelalter, der Kunst und dem Kalholicisnms mit Vorliebe zu gewandte romantische Poesie mit ihrer neuen Verskunst und metrischen Abwechse lung ihre Geltung erlangt und die klassische Schule, die nur noch wenige Ver treter zählte, überwunden. Hiermit hatte sie aber auch ihren Höhepunkt und in Victor Hugo eine Spitze erreicht, die schon stark ans krankhaft Manierirtc Miste, weshalb auch Alfred de Viguy, neben den Genannten der bedcu-