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II. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert. 913 gedichtete und in Musik gesetzte Schlachtgcsang der Rheinarmee, nach den Mar- seillcr Föderirten, die ihn zuerst nach Paris brachten, die Marseillaise ge nannt, dieser Freiheitsbcgeistcruug den entsprechenden Ausdruck verlieh. Ihn, zunächst steht Poncc-Denis Ecouchard Lebrun, der seiner Geburt und Erziehung s-b-un nach der klassischen Zeit nngehört, aber sich so ganz der Revolutionsbegcisterung ' ' ' hingab, daß ihn der Convent als den französischen Pindar begrüßte und ihm als dem würdigsten Sänger der Republik im Louvre eine Wohnung anwics. Früher dem Kreise Voltaire's angchörend, hatte er sich durch eine Ode ans das Erdbeben von Lissabon und durch viele (witzige und scharfe Epigramme bekannt gemacht, bis er später hauptsächlich durch die Ode an den Rächer (au vonAour) unter den Dichtern des Terrorismus in die erste Reihe trat. Auch der Dichter Parny von der Insel Bourbon, in jungen Jahren ein gefühlvoller, erotischer Pa,„y Lyriker, stimmte in seinem komischen Epos „der Götterkricg" in den cynischcn Ton ein, den die wilden Gesellen des Vernunftcultus in Paris gegen alles Religiöse und Heilige angeschlagen. Dagegen bewahrte Desaugicrs selbst unter dcnD^ugi«s Schrecknissen von San Domingo, die er erlebte, den Frohsinn und das heitere' Naturell eines provencalischcn Chansonnier und Vaudevillcdichters, das ihn zu einem Rivalen Beranger's machte. Bedeutender durch literarische und poetische Leistungen ist Marie Joseph Chenier und sein unglücklicher Bruder An dreM. J. Chenier. Der ersterc benutzte vor und im Beginne der Revolution das Drama, um, dem Zeitgeiste huldigend, die im Volke oder doch unter den Gebildeten herr-süsni-- schendeu Ideen, Ansichten und Neigungen auf der Bühne Vorträgen zu lassen. Von'' ^ ' der Tragödie „Kar! IX." sagte Camille Dcsmoulins: das Stück fördert unsere Geschäfte mehr als der 5. October. Während der Revolution politisch thätig, hielt er sich zu den Jacobineru, diente dem Convent als Odensäugcr und Fest dichter und verfaßte den durch Mehul's Composition zum Nationallied geworde nen »Oliant äu ääprrrt«, dessen Wirkung nian den Sieg bei Flcurus zuschricb, und Viele andere Hymnen auf merkwürdige Zeitereignisse (»Hunans s. la rai son«; »vlrant äss viotoiros»). Ein echter Dichter der Revolution, zu deren Entstehung er als Tragiker mitwirkte, deren Gewalt er durch seine Hymnen ver mehrte, die er als Liederdichter förderte, indem er die Poesie zur Rhetorik, die Rhetorik zu demagogischen Zwecken ausbcutete, war M. I. Chenier, obwohl er sich stets von den Terroristen serngehaltcn und ihre Unthaten und Ausschweifun gen verdammt hatte, nicht geeignet, sich Napolcon's Gunst zu erwerbeu, so sehr auch sein Drama „Cyrus" mit schmeichelhafter Beziehung auf den ersten Lonsul und die Kaiserkröunng verfaßt war. Er erlangte erst wieder Bedeutung, als er sich durch die kühne „Epistel an Voltaire" den kaiserlichen Zorn zugezogen. Sein älterer Bruder Andre Chenier, der in seinen lyrisch-epischen Dichtungen „der Blinde" (Homer als fahrender Sänger auf der Insel Chios) und „der Bett ler" (Odysseus bei den Phänkcu) und in dem dialogischen Idyll „die Frei heit" zuerst wieder echt griechischen Geist und hellenische Form in die franzö- Wcbtr, Wkllgrschichtr. XIV. 5z