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912 v. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. Laharpe. Beide waren von unbekannter Herkunft, denn wenn gleich Rivarol sich Graf nannte, war doch von seinem Vater nichts weiter bekannt, als daß er ein piemontesischer Abenteurer war, der sich zu Bagnolles in Languedoc als Gastwirth niedergelassen, und Beide wurzelten mit ihren Ansichten und geistigen Richtungen in der Schule Voltaire's und der Encyklopädistcn, in den Anschau ungen des achtzehnten Jahrhunderts. Aber ihre Lebensschicksale gingen weit auseinander. Rivarol, der durch seinen Witz, seine sprachlichen und philosophi schen Kenntnisse, seinen kritischen Scharfsinn und seine gesellschaftlichen Talente in den Salons der Vornehmen eine hervorragende Rolle gespielt hatte, wandte sich bald von der Revolution ab und trat in die Reihen der Emigranten. Cr lebte abwechselnd in Brussel und London, in Frankfurt und Hamburg und starb am 13. April 1801 in Berlin, unermüdlich beschäftigt mit kritischen und wissen schaftlichen Abhandlungen und Schriften über alle philosophischen, politischen, literarischen Zeitfragen und Erscheinungen, mit den Vorarbeiten zu einem groß artigen Wörterbuch der französischen Sprache, von dem jedoch nur der Prospekt erschienen ist. Alles, was Rivarol schrieb, gibt Zeugniß von seltenem Scharf blick, klarer, logischer Denkweise und vorurtheilsfrciem Urtheil. Laharpe's Charakter und Lebcnsansichten waren weniger folgerichtig. 17ZS-UE Anfangs ein Anhänger der Revolution mit ihren politischen und religiösen Freiheitsideen ging er angesichts der Gräuel vom Jahr 1793 zu den entgegenge setzten Ansichten über und wurde ein heftiger Feind der Conventsmänner. Der philosophische Träumer Cazotte hatte im Jahr 1788 einst einer vornehmen Ge sellschaft, die bei einem glänzenden Mahle sich in rühmenden Worten über die Umgestaltung der öffentlichen Dinge unter der Herrschaft der Philosophie und Vernunft erging, ihr tragisches Ende vorausgesagt. Diese „Prophezeiungen Cazvtte's" scheinen bei Laharpe die Gesinnungswandlung erzeugt zu haben. Er erlebte nicht mehr die Restauration, die seinen rückläufigen Ansichten den Sieg brachte. Schwach von Charakter und von sittenlosem Lebenswandel hatte Laharpe nie in großer Achtung gestanden, so verdienstvoll und gründlich auch seine französische Literaturgeschichte war. Di- R-»o. Die Girondisten, welche noch der alten Bildung angehörten und sich größ- """"^"^'tentheils der eleganten Schreibart und Redeforinen der Akademie bedienten, wurden endlich überflügelt von den Jacobinern, die in der Literatur ebenso ent schieden mit der Vergangenheit brachen, wie in Staat, Religion und geselligem Leben. In den Schriften und Journalen der Bergpartei herrschte ein wilder, zügelloser Geist, der die überkommenen Gesetze und Formen der Sprache und literarischen Darstellung ebenso keck übersprang, wie er sich über die ererbten Satzungen in Staat. Kirche und Leben wegsetzte. Dieser Geist der Freiheit und der republikanischen Begeisterung theilte sich auch den Dichtern der Revolutions- zeit mit, unter denen Joseph Rouget de l'Jsle. sonst ein unbedeutender Poet, l7k»-i83s. Harum den ersten Rang einnimmt, weil der berühmte, von ihm zu Straßburg