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n. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert. 963 der Frömmigkcil erfüllt sind, übrigens das Gepräge der Subjectivität ihres Urhebers in fast allzurcichlichem Grade an sich trägem Um seine kaum minder erbaulichen als be lehrenden Vorträge sammelte sich bald der größte Kreis von Zuhörern. Nimmt man endlich noch den gegen Schluß der Wirksamkeit Schlciermacher's durch hohe Protection in die Facultät cingctretencn, kühlen und berechnenden Fanatiker Hengstenberg Emst WU- hinzu, so hat man ein Bild nicht blos der damaligen Zustände, sondern auch eine Andeutung derjenigen, welche kommen sollten. i8»l-ises. 3. Die geistige Zeitströmung. Wie in politischer so charakterisirt sich die Epoche, bei welcher wir ange- komnien sind, auch in literarischer Beziehung als das Zeitalter der Restauration, des Rückschlages gegen die Revolution sowohl, wie gegen traditionslose, schöpfe rische und verwegene Regungen überhaupt, gegen „Sturm und Drang" jeder Art. Ein über die Grenzen der Staaten und Nationalitäten hinansgreifendes, inniges Einverständnis der auf verschiedenen Gebieten in gleicher Richtung arbei tenden Geister, die sich durch die Selbigkeit und „Solidarität der conservativcn Interessen", wie mau es später nannte, verbunden wußten, konnte nicht ausblei- bcn, und die Staatskunst des Rcstaurationszeitalters hätte blind sein müssen, wenn sie das günstige Fahrwasser nicht bei Zeiten entdeckt hätte, auf welchem ihre, an sich keineswegs sehr idealen, Zwecke wie von einer geistigen Macht, von einem gcheimnifivollen, poetischen Zuge der Zeit gehoben und getragen erschienen. Ei» geistreich dichterischer Schimmer hätte zwar dem Mettcrnich'schen System schlecht zu Leibe gestanden. Aber darauf hat man doch nicht blos in Berlin, sondern auch in dem leichtlebigeren Wien nicht vergeblich spcculirt, der deutsche Geist werde am sichersten durch Philosophie und Wissenschaft von den gefähr licheren Bahnen praktischer Politik abzulenken sein. Wenigstens hat die nächste Folgezeit dieser Erwartung Recht gegeben. Aus dem durch die romantische Ucberschwemmung befruchteten Gcistcsbodcn schossen, gepflanzt, bcgvsscn und gepflegt von Gelehrten, die fast alle freundschaftlich an die romantischen Cirkel anknüpften, die Saaten des Wissens in üppigster Fülle auf, und unter de» Ein drücken eines übcrfruchtctcn geistigen Lebens gingen dem deutschen Volke der Ehrgeiz der Freiheit und der Trieb nach naturgemäßer Betheiligung an der Ent scheidung seiner Schicksale auf längere Zeit fast verloren. Im ruhenden Centrum des Welttheils gelegen, legte es zumeist in den fünfzehn Jahren zwischen dem Wiener Congreß und der Julirevolution den gediegenen Grund zu jener nllscitigen Beherrschung der verschiedensten Wissensgebiete, durch welche es im Laufe der Zeiten Kopf und Herz Europas geworden ist. Aber wie es die Geistesthat der Reformation, den für die geistige Freiheit der Welt erkämpften Krieg zunächst mit drei hundertjähriger Zerklüftung und politischem Jammer aller Art bezahlen mußte, um erst spät zu einheitlicher Befestigung zu gelangen, so war auch der solide Weg, auf welchem der zusammcnfasscndc Abschluß der nationalen Bildung