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900 n. Vom Wiener Kongreß bis zur Julirevolution. dagegen auf Gott sich bezieht. Ucber ihn sind entweder nur negative oder aber, wenn positive, nur bildliche, anthropomorphische Aussagen möglich. Cr ist also kein Gegen stand des eigentlichen Wissens, wohl aber ist er als Urgrund in dem menschlichen Be wußtsein vermittelst des religiösen Gefühles geradeso von innen her gesetzt, wie die Wahrnehmungen der Außendinge von außen her. Eben darum haben aber auch reli giöse Sätze ihrer Natur nach nichts mit wissenschaftlichen Sätzen zu thun. Nirgends auf religiösem Gebiete lassen sich Aussagen über göttliche Dinge antreffen, welche man als gleichwerthig mit metaphysischen, mathematischen, physikalischen und historischen Sätzen behandeln könnte. Auch hier macht eine reinlich gezogene Grenzlinie, welche zwei von einander unabhängige Gebiete scheidet, allem Streit ein Ende und stellt die religiöse Wahrheit des Christenthums außerhalb des dem Wissensstreit zugänglichen Terrains. D» E>hik. Bleibende Verdienste hat sich Schleicrmacher endlich um die wissenschaftliche Be gründung und den Ausbau der Moral erworben. Dieser Aufgabe find seine Abhand lungen für die Akademie gewidmet, und die Ausführung hat er sowohl unter philoso phischen als unter theologischen Gesichtspunkten gegeben. Von ihm rührt namentlich der lange stehen gebliebene Schematismus her, wonach die Sittcnlchre unter den drei Gesichtspunkten der Lehre von den Gütern, von den Wichten und von der Tugend zu behandeln und wonach, entsprechend den vier Formen des sittlichen Handelns, vier ethische Organismen oder Güter zu unterscheiden sind. Das höchste Gut, die Einheit des Geistes und der Natur, ist sittliches Ziel; Pflicht ist das Gesetz der Bewegung zu diesem Ziele; Tugend ist die bewegende Kraft. Das Handeln der Vernunft in der Richtung auf die Natur mit dem Zwecke der Produktion von Gütern ist auf der einen Seite kheils ein organisirendes oder bildendes, thcils ein symbolisirendcs oder bezeich nendes, auf der anderen theils ein allgemein gleiches, universelles, theils ein eigen- thümliches-, individuelles. Aus der Kreuzung beider Unterschiede ergeben sich die vier Arten des sittlichen Handelns, welchen als zu producirende Güter die großen Gemein schaftsformen des Staates, des gesellschaftlichen Lebens, der Schule in des Wortes allgemeinster Bedeutung und der Kirche entsprechen. Das Charakteristische der Aus führung liegt auf der Seite des individuellen BildenS und Symbolisircns, indem Schleicrmacher die Einseitigkeit und starre Härte des Kantischcn Wichtbegriffes, welcher das Eigcnthümliche der sittlichen Aufgabe gegenüber der allgemeinen Regel nicht zum Rechte kommen ließ, durch eine Ethik zu überwinden suchte, welche die jedesmal vor liegende Aufgabe durch die Individualität des Handelnden mit bedingt sein ließ. Man erkennt somit in dem Urheber des ethischen Systems ebenso den Verfasser der Mono logen wieder, wie in dem Urheber der Dogmatik den Verfasser der Reden über die Religion. Schum. Auch in der wichtigen Angelegenheit der Union der protestantischen Confesfionen, das"ri-üßisch« deren wir früher Erwähnung gethan (S. 371), entfaltete Schleicrmacher eine her- u»i°n«w!i!.vurragende Thätigkeit. Schon in diesem Zeitraum bot die evangelisch-protestantische Kirche in Preußen und in ganz Deutschland das unerquickliche Bild tiefer innerer Zer fahrenheit und eines, mit der Zeit nur immer noch gesteigerten. Mangels an Gemein sinn unter den sich befehdenden Parteien. Für den Protestantismus konnte dieser Um stand um so verhängnißvoller werden, als gleichzeitig die katholische Kirche, wiewohl ihre Wissenschaft und Theologie fast völlig versandet waren, doch auf dem Gebiete des Lebens ihre Kräfte mit um so größerem Erfolge wieder sammelte und der wiederherge stellte Jesuitenorden allenthalben dafür Sorge trug, jenen Geist der Toleranz und Milde, der sich zu Ende des vorigen Jahrhunderts eines großen Theiles der katholischen Geistlich keit bemächtigt hatte, zu bannen und gründlich auszufcgen. Das einzige Praktische,