Volltext Seite (XML)
II. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert. 889 Nur Schade, daß gerade in Deutschland die öffentlichen Zustände vor und Zusammen, nach der Julirevolution so wenig zu der Doctrm stimmten, ja daß die ganze Geschichte nur eine sehr theilweise und relative Bestätigung für den dialektischen^ Fortschritt bietet. Denn entgegen steht vor Allein der Umstand, „daß sich der Weltgeist in seiner zeitlich sinnlichen Erscheinung zahllose poetische Liccnzen erlaubt, daß die Weltgeschichte voll ist von Verstößen gegen die vermeintliche v absolute Grammatik der reinen Vernunft". Nicht der geringste dieser Verstöße wäre es, wenn auf das System des absoluten Idealismus überhaupt noch wei tere Entwickelungsphasen von fruchtbringendem Gehalt in der Geschichte der Philosophie gefolgt sein sollten, da jenes System vielmehr darauf berechnet ist, als Schlußstein der Geschichte des menschlichen Denkens zu gelten. Noch schlim mer aber würde es mit den Geschicken des Systems dann bestellt sein, wenn seine Methode, mit der es zusammenfällt, als im Grundsätze falsch nachgewiesen wäre. Aber gerade diesen Gang hat die Geschichte der Philosophie von Hegel bis auf die Gegenwart genommen. An die Stelle des dialektischen Dreiklangs ist die, von den Naturwissenschaften geübte und durch ihre Erfolge mit der mäch tigsten Empfehlung ausgestattcte, Methode der Jnduction getreten, d. h. das auf dem Grunde der Erfahrung ruhende Verfahren, durch welches man ein Merk mal, das als in einer Mehrheit von Dingen derselben Art wiederkchrend erfunden wurde, bei allen Dingen derselben Art voraussetzt, also der Schluß vom Besonderen auf das Allgemeine. Andererseits hat das System auch bezüg lich seines Inhaltes Anfechtungen in steigendem Maße, eine besonders schneidige Kritik durch Trcndelenburg erfahren in seinen, zugleich auch die Systeme H^drich^ von Kant und Herbart in den Kreis der Beurtheilung ziehenden, im Uebrigen ^lcnbu^ aber eine gemeinsame Basis für die auseinander strebenden Doctrinen anstre benden, „logischen Untersuchungen" (1840). In der That war es nicht schwer einzusehen, daß z. B. nicht das reine Sein als der absolut inhaltsleere, daher mit dem Nichts identische Begriff den Ausgangspunkt für die Selbstbewcgung des Begriffes bilde, sondern der Begriff des Seins vielmehr eine Abstraktion ist von allem Unterschied in dem durch gültige Begriffe Gedachten unter alleiniger Festhaltung des darin Identischen, der Begriff des Nichts aber dadurch gewonnen wird, daß die Abstraktion noch einen Schritt weiter geht und auch noch von diesem letzten Reste des Identischen absieht. So erwies sich die ganze Logik als ein Reich von Schatten und Schemen, welche ihre Existenz lediglich dem Ab straktionsvermögen des menschlichen Denkens verdanken, während nichts für ihre objektive und reale Existenz, nichts auch gerade für diesen Zusammenhang, für diese Reihenfolge und Abstammungslinie, worin sic bei Hegel erscheinen, Bürg schaft leistet. Unabwendbar war daher in dem auf Hegel folgenden Menschen alter der Zusammenbruch seiner Weltanschauung, wobei jedoch nicht ausge schlossen blieb, daß unter dem großartigen Ruin des von einem König der Geister gebauten Palastes kostbares Material genug hervorgezogen werden