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II. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert. 885 gen und Verlebendigender Erscheinung, jenes in Bezug setzen und Ergänzen alles Ver schiedenen, jenes Totalisiren und Verallgemeinern alles Einzelnen, wie es nothwendig schien, wenn die gesammte Wirklichkeit durchdrungen werden sollte mit dem Begriff. Hegel operirt daher so, daß er sowohl von aller Realität den reinen Begriff abschöpft, als auch den reinen Begriff in die Realität umsetzt. Darin besteht seine Methode, ja darin besteht im Grunde sein ganzes System. Mit der Methode ist hier in der That das System erklärt. Denn „der Begriff rcalisirt sich", indem das was in ihm ist sich offenbart; cs offenbart sich aber, indem die verschiedenen Bestimmtheiten, die darin vereinigt sind, auseinander und sich gcgenübertreten, bis endlich das so Auseinandcr- getretene durch die Differenz zu einer neuen Einheit hindurchdringt (Thesis, Antithesis, Synthesis). Sonach besteht die sogenannte Selbstbewcgung des Begriffs wesentlich in Setzung und Wicdcraufhebung eines Gegensatzes. Die ganze Logik ist ein Continuum von solchen flüssig ineinander überspielenden, nach dem Dreischlag der Methode rastlos fortströmcnden Kategorie. Sein, Nichts, Werden — heißt cs da; Dasein, Endlich keit, Unendlichkeit, Fürsichsein, das Eine, das Viele, Attraction, Repulsion, Qualität, Quantität — so geht es endlos fort. Diese „Dialektik" des Begriffs ist es nun aber, was den eigentlichen Prozeß des Absoluten ausmacht. Das Absolute ist nichts anderes, als ein solches Fortgctriebenwcrdcn von Bestimmung zu Bestimmung, eine durch lauter Gegensätze zum Ganzen allmählich fortschreitende und sich vollendende Dialektik. Das bedeutet die letzte Formel: Das Absolute ist dialektisch. Die unendliche Methode der Dialektik des Begriffes ist es, was das Absolute zum Absoluten, was es zum Geist macht. Wie der Embryo zwar „an sich" schon Mensch ist, „für sich" es aber erst ge worden ist, wann er vernünftig entwickelt ist, so verläuft auch der Prozeß des Absolu ten in einem unaufhörlichen Uebergang aus dem „An sich" durch das „Für sich" zum „An und Für sich"; in einer unendlichen Entwickelung aus der Idee durch die Natur zum Geist. War das im Wesentlichen auch der Inhalt der Philosophie Schelling's gewesen, so glaubt doch Hegel die Sache erst erwiesen zu haben vermöge seiner, an die Stelle der „intellcctuellen Anschauung" gesetzten Methode, die den wahren Stolz seines Systems bildete. Melhodelosigkeit hatte er Schelling vorgeworfen, der darum sein System nur „aus der Pistole geschossen" habe; dafür ist bei Hegel die Methode Alles geworden. Das Absolute ist Substanz, das Absolute ist Subject, das Absolute ist Geist, das Absolute ist Prozeß, das Absolute ist Dialektik — unter jeder dieser Formeln kann man sich ein Gesammtbild des Systems entwerfen. Unter der letzten insofern am besten, als sie die Einheit des Systems mit seiner Methode zu Tage treten läßt; am vollständigsten aber unter der Formel, „Das Absolute ist Geist", wenn man damit die andere, wonach cs Dialektik ist, in Verbindung setzt. Denn nun sondern sich auch die einzelnen Theile des Systems wie von selbst ab. Im ersten Theile, den Hegel die Logik nennt, entwickelt er die reinen, allem natürlichen und geistigen Leben unzeitlich voran gehenden Begriffe, die allem Sein zu Grunde liegenden Dcnkbestimniungen. Dieser Theil gibt also die rein logische Entfaltung des Absoluten als Gedankens; er enthält die Exposition deS Zndifferenzpunktes und läßt den Geist entspringen aus dem Noch nichtsein, ihn seines Unterschiedes von Nicht-Geist bewußt und so endlich seiner reinen Idee inne werden. Den zweiten Theil bildet die Naturphilosophie; sie zeigt wie der Geist sich realisiren, also ein gegenständliches Leben sich gegcnübersetzcn muß. Dieses „Anderssein deS Geistes", seine Verzerrung in Raum und Zeit, ist nichts andres als die reale Welt, die Natur. Diese ist also hier nicht reines Product, reiner Schatten des Ich, wie sic es bei Fichte war, sondern sic hat wieder ein selbständiges Sein erlangt. Für den absoluten Idealismus Hcgei's sind die endlichen Dinge nicht, wie für den sub-