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874 B. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. freiheit von den Fürsten Europas, die sie bisher unterdrückten, Heliopolis im letzten Jahr der alten Finsterniß" und „Beiträge zur Berichtigung der Urtheile des Publikums über die französische Revolution", Beide von 1793), als gegenüber dem mächtigsten Zwing- hcrrn des Zeitalters. Seine „Reden an die deutsche Nation" (1808) erstreben eine völlige Umgeburt des deutschen Volksgcistcs auf dem Wege einer neuen, zur Sclbstthä- tigkcit und Sittlichkeit führenden Erziehung, für welch- er in der Pädagogik Pestalozzi's Anknüpfungspunkte fand (S. 277). Nachdem er die Frucht seiner Bemühungen in den Befreiungskriegen hatte reifen sehen, starb er, ohne die trübe Kehrseite der Sache zu erleben, an dem Ncrvcnfieber, welches durch seine Frau, die sich der Krankenpflege in den Lazarethen widmete, auf ihn übertragen worden war. Wm Fjchte's Nachfolger in Jena war ein junger Mann geworden, welcher als Sohn von Tch-uing eines schwäbischen Landgeistlichen am 27. Januar 1775 zu Lconbcrg geboren schon l7,»-i8L4. fünfzehn Jahren die Universität Tübingen bezogen und während seiner Studienzeit mehrere theologische und philosophische Abhandlungen veröffentlicht hatte. Mit frisch jugendlicher Kraft und mit Erfindung von immer neuen Wendungen suchte Sch elling zunächst den Uebergang von Kant zu Fichte zu ebnen und zu glätten. So besonders in 1795. fxjner noch zu Tübingen herausgegcbcncn Schrift „vom Ich als Princip der Philoso phie", welche Fichte als einen Commentar zu seiner eigenen Wiffcnschaftslchre ansah. 1798. Nach kürzerem Aufenthalt in Leipzig ließ sich Schilling in Jena nieder und do- cirte daselbst anfänglich neben Fichte und wesentlich in dessen Geist und Richtung. Doch macht sich schon jetzt bcmcrklich, wie aus der versuchten Auseinandersetzung zwischen Kant und Fichte ein Hinausgehen über Beide werden will. Innerhalb der Ringmauern des Ich, wohin Kant die feste Position des philosophischen Denkens ver legt und von wo aus Fichte dann alle Verbindung mit der gegenständlichen Welt abge brochen hatte, drohten Mangel und Leere cinzukchrcn; die Vorräthc in der unbesieg baren Feste gingen aus. Es mußte wieder ein freier Rapport mit der Natur herge stellt werden. Gegenüber den großen Entdeckungen in Physik, Chemie, Geologie und Physiologie, womit damals der iin folgenden Jahrhundert zu immer prachtvollerer Entfaltung gelangende Triumphzug der Naturwissenschaften sich einlcitete, konnte das Ich unmöglich die eigensinnige und eigensüchtige Stellung behaupten, welche ihm die Wisscnschaftslehrc angewiesen hatte. Schelling's sinnreicher Naturanschauung wenigstens war es auf die Dauer nicht möglich, dieses glänzende Weltbild so stiefmütterlich be handelt zu sehen, wie dies von Seiten einer Lehre geschah, welcher alle diese Herrlich keit nur als matter Abglanz des eigenen, in alle Ewigkeit hinaus zu entwickelnden Ich 1797. erschien. Zwar gibt er noch in der Schrift „Ideen zu einer Philosophie der Natur" vollkommen zu, daß die Natur ein Produkt des Jchs, eine Erscheinung der eigenen Intelligenz sei, ein „Doppelbild, das der Geist selbst producirt, um durch die Ver mittelung desselben zur reinen Sclbstanschauung, zum Selbstbewußtsein zurückzukehren". Aber eben darin geht er nun über Fichte hinaus, daß er den Menschen, um sein eige nes Inneres zu finden und zu verstehen, in die Natur weist. Er gestaltet sonach die Lehre seines Vorgängers vom Ich und Nicht-ich zu einem großartigen speculativen System um, dessen beide Seiten die Lehre von der Natur und die vom Geiste darstellen. Von diesen beiden hat er zunächst freilich vorzugsweise die Lehre von der Natur ausgcbildct, und darauf beruht hauptsächlich die ungemeine Anziehungskraft, welche die neue Philosophie auf das anhebcnde Zeitalter der Romantik ausübte. Aber erst in der 1798. Schrift „von der Weltseele" legt Schilling der Natur ein eigenes selbständiges Dasein bei, sofern ihr ein Lebensprinzip inne wohnt, welches die unorganischen und die orga nischen Wesen vermöge eines allgemeinen Zusammenhangs aller Naturursachcn zu einem Gesammtvrganismus verknüpft, und zwar so, daß die Kräfte der unorganischen Natur