Volltext Seite (XML)
862 B. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevvlution. düngen einer freien Seele ausspricht und in Amerikas Wäldern, wohin ihn hessische Werber geschleppt, bei den Huroncn Menschlichkeit findet, die der über tünchte Europäer verlernt? — die ernste Sprache des rauhen Mannes fand wenig Anklang; Heinrich Zschokke mußte seinen Freiumth und seinen Ratio nalismus in die Schweiz tragen und sein Freund Heinrich Kleist, der talent volle dramatische Dichter, dessen Hermannsschlacht von seiner patriotischen Gesinnung und von dem Gram über Deutschlands Schmach zur Zeit des Rheinbundes zeugt, gab sich, ein „politischer Werthcr", im Kummer über die Leiden der Zeit mit einer kranken Freundin in Potsdam selbst den Tod. „Ein echt romantischer Selbstmord ohne Leidenschaft, der das Leben ausstrcicht, wie eine zu lange Scene in einem Drama." Trotz vielfacher Verirrungen sind alle Gebiete der Poesie in dieser Zeit emsig und erfolgreich bearbeitet worden, und die Zahl berühmter Dichternamen ist nicht gering. s»-nk!nd«rsUnter den lyrischen Dichtern sind am bekanntesten: der gefühlvolle Max von Schen- ^ ^ "'kendors aus Königsberg, wie Körner Sänger und Krieger, während seines Aufent halts in Karlsruhe und am Rhein der Jung-Stilling'schcn Familie befreundet, daher seine Gedichte, neben ihrer Richtung auf „Kaiser und Reich", hauptsächlich in christ licher Gläubigkeit, religiöser Gefühlfamkeit und in katholisirendem Romanticismus wurzeln. Friede. Aug. von Stägcmann, verdienter Staatsmann und Beamter unter Stein und Hardenberg und vaterländischer Dichter („Historische Erinnerungen in lyrischen Gedichten"; Sonette). Ludw. Th. Kosegarten aus dem Mecklenburgischen, ' ^ auf der Insel Rügen und in Greifswald wirksam; von ihm: lyrische Gedichte, Idyllen („Jukunde"), Romane u. A. Der erregbare, enthusiastische und unbeständige Däne „^«chnBaggesen (Haidcblumcn; Parthcnais, ein idyllisches Epos). Der schon erwähnte Tiedge (bei Magdeburg, zuletzt in Dresden wohnhaft), dessen Begeisterung „aus Nächten dunkler Trauer" stammt und dessen Phantasie nur „in Einsamkeit und Natur" rege cr- scheint. Ticdgc's Freund und Landsmann Matthiss on, bei dem die Naturschwär- " ^ ^ ' mcrci, die sanfte Melancholie und zugleich die Formal-Vollendung und der Wohllaut den Höhepunkt erreichten. In Matthissou's klangreichcn elegischen Naturschildcrungcn weht eine „duftige Mondschcinspoesic voll sanfter Schwermuth, voll beschaulicher Schwär merei, Voll Natursiun und weicher melancholischer Anklänge". Einen düstcrn Hang zur Schwermuth, eine Vorliebe für das Herzerschütternde und Grauenvolle, doch gemischt mit harmloser Heiterkeit und französischer Schalkhaftigkeit, findet man auch in den Ge- dichten des aus Frankreich nach Preußen übcrgcsiedcltcn Adalbert von Chamiss o, des Verfassers des weltberühmten Märchens „Peter Schlemihl", worin er das eigene Weh des aus dem Vatcrlandc gestoßenen Verbannten schildert, der den Verlust des angc- bornen Guts weder durch fremde Schätze zu ersetzen, noch durch rastloses Wandern zu vergessen vermag, und vieler Balladen, Romanzen und anderer Gedichte, die von großer Sprachgewandtheit zeugen. In ihm erscheint die klare französische Form verbunden mit deutscher Tiefe und Innerlichkeit („Schloß Boncourt"). Zu der berühmten poli tischen Erzählung „Salas y Gomcz", einem Gedichte von ausgeprägtester Physiognomie, „in welchem der Ausdruck schroffsterOede und Weltvcrlasscnhcit und bitterer Verzweiflung in marmorharte Vcrstafeln gegraben ist", wurde Chamisso aus einer dreijährigen Reise EUlm'd-rffum die Welt durch unmittelbare Eindrücke angeregt. Auch Zoh. v. Eichcndorss, ^ ein vielseitiger Schriftsteller, ist am bedeutendsten auf dem Felde der Lyrik. Von seinen acmüthvollen Liedern haben sich manche bis zur Stunde im Munde des Volks erhalten.