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II. Literatur u. Geistesleben im neunzehnten Jahrhundert. 853 und Charakteristiken, durch Aufsätze und Vorlesungen für die Erkcnntniß und Verbreitung der inländischen und ausländischen Literatur wirkten. Aus dem Schooße der romantischen Poesie hat sich die philologisch-historische Forschung der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm losgcwunden, und die Anregung ge schöpft zu ihren folgenreichen Untersuchungen auf dem Gebiete der germanischen Sprache und Literatur, der volksthümlichen Rechtsübungen und religiösen Vor stellungen, sowie zur Sammlung der Volks- und Hausmärchen. Das griechische Altcrthum wurde durch den Romantiker Solger, den kenntnißreichen und ästhe- tischen Uebersctzcr des Sophokles, und die Sprachwissenschaft durch die „Sprach, lehre" des Philologen Aug. Ferd. Bernhardt, Tieck's Schwager, von einerB»nh->-d^ neuen Seite dem deutschen Volke zugeführt. Mit der romantischen Schule stand die gleichzeitige Philosophie in so unverkennbarer Verwandtschaft, daß man viel fach versucht hat, die eine aus der andern herzuleiten. Von Fichte's Wissen schaftslehre ausgehend. hat Schilling in seiner zweiten fruchtbarsten Entwicke- lungsperiodc sein naturphilosophisches System mit Anlehnung an die neuroman- tischen Vorstellungskrcisc aufgestellt, den Cultns des Schönen in der Kunst fast an die Stelle der Religion gerückt. Denn in dem Jneinanderfließcn des Phan tasie - und Gedankenlcbens besteht das eigentliche Wesen der Romantik. Wie innig Schleiermach er mit den Häuptern der Romantik in Berlin verbunden war, werden wir unten erfahren. Seine Ansicht, daß die Religion nicht ein bestimmtes Glanbcnsbekenntniß sei, sondern der Inbegriff aller höheren Gefühle, stimmte mit den Grnndanschauungen der neuen Poesie überein. Der berüchtigte Roman Fr. Schlegel's, „Lucinde", in welchem in Betreff der Form „alle Gesetze der Composition von der romantischen Muse der subjektiven Willkür geflissentlich mißachtet werden", in Betreff des Inhalts die Lebens- und Liebesverhältnisse des Verfassers, insbesondere seine Beziehungen zu Dorothea, „cynisch und sapphisch" in verhüllter Gestalt als „Bekenntnisse eines Ungeschickten" dargestellt sind, in welchem die Einheit und Harmonie des Lebens in der „erotischen Begeisterung" erblickt wird, die dem geistigen Gefühl einen sinnlichen Ausdruck gibt und umgekehrt die sinnliche Lust vergeistigt, dieses „tolle kleine Buch", ein Abbild des romantisch sinnlichen Muthwillens und genialen Uebermuths, wurde von dem Prediger Schleiermacher zum Gegenstand „Vertrauter Briefe" gemacht, worin die ästhetischen und moralischen Grundsätze und Tendenzen gegen die „Unverständigen" vertheidigt, die Scheu und Zurückhaltung gegenüber der Liebe und Herzensneigung als Prüderie verdammt werden, eine Rechtfertigungsschrift im Dienste der Freundschaft gegen spießbürgerliche Ansichten von Sittlichkeits- gefühlcn. Aus den Ueberlieferungen des orientalischen und griechischen Alter thums hat Fr. Creuzer die Symbolik und Mythologie der alten Welt syste-C«uzer matisch zu entwickeln und in ihrem inneren Zusammenhang zu erklären gesucht, ein Bestreben, das Görres, Mone u. A. zur Nacheiferung anspornte. Adam Müller hat, wie wir in einem andern Zusammenhang sehen werden, durch seine