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I. Von Campo Formio bis zum 18. Brumairc. 67 2 Bonaparte in Syrien und Aegypten und der Staatsstreich des 18. Brumairc. Während Europa in dem zweiten Coalitionskrieg aus tausend Wunden blutete, die alte und die neue Zeit noch einmal iin Riesenkampf mit einander rangen, stand Nap'oleon in weiter Ferne, am Nil und am Libanon, mit Plänen und Aufgaben beschäftigt, wie sie einst dem makedonischen Heldenjüngling vor der Seele geschwebt. Nachdem er die Empörung in Kairo niedergeschlagen (S. 40) und in dem unteren Lande alle militärischen und administrativen An ordnungen zur Erhaltung der Ruhe und Sicherheit getroffen hatte, bereitete er sich zu einem Feldzug nach Syrien vor, um die von der Pforte abgesaudten tür kischen Truppen am Einzug in das Nilthal zu verhindern, den Sultan in seiner Hauptstadt zu bekriegen und „Europa von hinten zu packen", indeß Desaix nach dem Siege von Sedinian über Murad-Bey den Auftrag bekam, Oberägypten in Gehorsam und Unterwürfigkeit zu erhalte». Während des Winters hatte Bo- napartc an Tippu Saib, den unternehmenden Sultan von Maisur (XIII, 327) geschrieben, daß er sich vorbereitc, „ihn von dem eisernen Joche der Engländer zu befreien"; er ließ die Wüste durchstreifen und Kamele wegführen; er bestieg de» von den Gläubigen aller Religionen als heilig verehrten Sinai und schrieb seinen Namen neben den Mohammeds, als dessen Vollender er in den Augen der Mu selmanen erscheine» wollte; er machte eine Entdeckungsreise nach dem rothen Meer und beschäftigte sich mit dem Gedanken, den Kanal der Pharaonen her zustellen. Seine Phantasie spiegelte ihm die Errichtung eines orientalischen Reiches vor. „Die Bewohner der benachbarten Gebirge erwarteten nur seinen Sieg, um sich ihm anzuschließen; schon hatte er die Schlüssel von Damaskus; die ganze arabische Bevölkerung bedurfte Nichts als einen Anführer; Konstanti- nopcl hätte ihm nicht widerstanden, Indien wäre ihm nicht zu fern gewesen". Mit solchen gigantischen Aussichten trug sich sein Geist in einsamen Stunden. Im Februar brach Napoleon nach Syrien auf. Nach der Einnahme vonF-idzugi,, El Arisch, dessen Besatzung nach zweitägigem Widerstand sich auf Gnade und Ungnade ergab, zog Bonapartc über Gaza nach Jaffa. Auch diese Festung"^- vermochte dein europäischen Geschütz nicht lange zu widerstehen. Der türkische 3. März. Befehlshaber hatte die Aufforderung zur Ergebung mit der Hinrichtung des Ueberbringers beantwortet. Dafür nahmen die französischen Soldaten nach der Erstürmung der Stadt an den Einwohnern und der Bcsatzungsmannschaft blutige Rache. Die Zahl der Getödteten wird auf zweitausend angegeben. Eine gleiche Anzahl wurde gefangen genommen. Da man sie aber weder mitnchmen noch freilassen wollte, wurden sie einige Tage später nach dem Meeresstrande geführt und reihenweise erschossen oder niedergestoßen. In der Folge suchte Napoleon». Mä,,. das Brandmal dieser That zu verwischen, indem er behauptete, es seien Mein eidige gewesen, die in El Arisch gefangen und unter der Bedingung, nicht ferner gegen Frankreich zu dienen, entlasten worden ; eine Rechtfertigung, die man 5*