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808 L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. sches Königthum war bald die Losung des Tages, in die nur einige grundsätz liche Gegner des dynastischen Regiments und Vorkämpfer demokratischer Volks versammlungen nicht einstimmten. Die provisorische Regierung auf dem Stadt hause stellte dem Reichsverweser brieflich ihre Vollmachten zur Verfügung. Cr bestätigte die meisten der von ihr ernannten Commissare in ihren Ministerstellen, unter ihnen Dupont de I'Eure, Gerard, Guizot, Broglie, Jourdan, überließ Lafayette den Oberbefehl über die Nationalgarde und setzte ihm seinen alten Ge fährten Mathieu Dumas als Generalinspector an die Seite. Zn dieser formlosen mit großer Eilfertigkeit vollzogenen Ucbertragung der höchsten Staatsgewalt an den Orleans'schen Prinzen lag die Quelle der späteren Spaltung der liberalen Partei. Die strengen Anhänger der Volkssouveränetät suchten ihr Gewissen zu retten, indem sie annahmcn, der Herzog von Orleans sei nicht als Bourbon'scher Prinz, sondern um seiner persönlichen Eigenschaften willen auf den Thron erhoben worden, die Verfechter der Legitimität dagegen betonten die dynastische Verwandtschaft. Das „Obgleich" und „Weil" schied das Orleanistische Frankreich in zwei Heerlager, die Einen mit einer mehr demokratisch-volksherrlichen Fahne, die Andern unter dem Schilde conscrvativ-dynastischer Grundsätze. Ganz außerhalb dieser beiden Hauptlager standen die Republikaner, die Legttimisten und Bonapartisten. ä. Louis Philipp, König der Franzosen. Ramboum-t" bu dem raschen Verlauf der Dinge in Paris, der in dem allgemeinen Wunsch der bürgerliche» Bevölkerung nach möglichst schneller Herstellung einer obrigkeitlichen Autorität, einer gesicherten Rechtsordnung, eines friedlichen Zu standes gegenüber dem Auslande seine Hauptquelle hatte, bildete die Rathlosig- keit und Unschlnssigkeit des Hofes in Trianon, dann in Rambouillet den auf fallendsten Gegensatz. In St. Cloud standen noch fünfzehntausend Mann mit vierzig Kanonen unter dem Befehle des Dauphin. Allein die strategische Un fähigkeit des Herzogs und die wachsende Unzufriedenheit und Unzuverlässigkeit der Truppen verhinderten jedes energische Vorgehen. Bei einer Heerschau in Sevres war er Augenzeuge, daß das Schweizer Bataillon Salis Waffen und Patronen an das Volk abgab, daß zwei Gardecompagnien, statt den Feind auf dem andern Seincufer anzugrcifen, ihren Weg nach Paris einschlugen. Die Schwierigkeit der Verpflegung vermehrte den Abfall und die Fahncnflnchtigkeit. 2. Aug. i83o. In Rambouillet beschick Karl X. seine Minister zu sich und gab ihnen den Rath, auf ihre Sicherheit bedacht zu sein. Einige derselben entkamen glücklich nach der Schweiz, nach Deutschland, nach England; aber Polignac, Peyrvnnet, Lhantelauze und Guernon-Ranville wurden trotz ihrer Verkleidung erkannt und nach Vincennes in Haft gebracht. Gegen Ende des Jahres wurden sie vor dem Pairshof des Hochvcrraths angeklagt. Aber sie hatten ein milderes Loos als einst Lord Strafford in London. Nach einem achttägigen Prozeßdrama, wäh rend dessen die Blicke von ganz Europa nach dem Luxembourg gerichtet waren.