I. Reactionäre Experimente u. revolutionäre Gegenschläge. 797 seine royalistischen Zuträger mit der Hoffnung baldiger Niederwerfung des Auf standes erfüllt, erblickte er in kaltblütigem Festhalten der eingeschlngenen Bahn den sichern Sieg. In diesem Sinne hatte er an den König berichtet und kurz zuvor die Bildung eines Kriegsgerichtes angeordnet, welches die mit den Waffen ergriffenen Aufständischen stehenden Fußes aburtheilen sollte. Zugleich hatte er den Marschall aufgefordert, sechs namhafte Oppositionsmänner, die er als Häupter und Anstifter des Aufruhrs bezeichnet«:, in Haft zu nehmen. Es waren Lasfitte, Lafayette, Mauguin, Audry de Puyraveau, Salverte und Marchais. Aber Marmont ließ den Befehl unausgeführt. In den Hofkreisen von St. Cloud traute man dem günstigen Berichte des Ministerpräsidenten und wollte weder von den Vorstellungen Vitrolles' noch von den zur Nachgiebigkeit mah nenden Schlußworten der Depesche des Marschalls etwas hören. Man glaubte, die ganze Bewegung rühre von den conspiratorischen Umtrieben des Herzogs von Orleans und seiner Vertrauten her. Die letzteren dachte inan aber bereits in Gewahrsam gebracht und vor das Kriegsgericht gestellt. Karl entbot die Mini ster auf den folgenden Tag zur Sitzung nach dem Schloß in St. Cloud. Die Aufständischen machten sich die Nacht zu Nutze, um bei Fcnsterbclcuch-DUR-v^iu- tung und Fackelschein neue Barrikaden aufzuwerfen und die ganze Stadt von?>ch°» F»n- zwanzig zu zwanzig Schritten zu durchschneideu, so daß die Truppen nur den DoimÄag^ kleinen Raum um die königlichen Schlösser als Basis ihrer militärischen Opera- ^ ' tionen inne hatten. Und mit den Erfolgen wuchs der Muth und die Zahl der Aufständischen. Wohlgesinnte Bürger hatten am vorhergehenden Tag das Ge such um Wiederherstellung der Nationalgardc an den Marschall gerichtet; ihnen wäre naturgemäß die Mission einer Vermittelung zwischen der Regierung und den Insurgenten zugefallen; die Zurückweisung führte sie dem Aufstande zu. Man merkte bald, als am folgenden Morgen der Kampf von Neuem anhub, an der größeren Sicherheit des Angrcifcns und Zielens, daß geübte Schützen in den Reihen der Votksstreiter standen. Je bedrohlicher der Kampf sich gestaltete, desto unsicherer und schwankender wurde die Haltung des Gouverneurs. In seinem Festungsbereiche dicht umlagert, zeigte er sich jetzt zur Einstellung der Feindselig keiten bereit, die er gestern noch so bestimmt verweigert hatte. Allein es fehlte ihm an Mitteln, den Aufruf drucken und verbreite» zu lassen. Derselbe blieb fast unbekannt und hatte nicht die geringste Wirkung. Die Ankunft zweier Pairs, Argout und Scmonville, in de» Tuilerien brachte den Geist Marmont's noch mehr in Verwirrung. Die beiden Grafen drängten sich zu Vermittlern auf, mehr aus Ehrgeiz als aus Vaterlandsliebe oder Menschlichkeit. Sie wollten den Marschall sogar bereden, die Minister zu verhaften. Nach einer stürmischen, von gegenseitigen Vorwürfen und Beschuldigungen begleiteten Unterredung mit Polignac, reisten sie nach St. Cloud ab, wohin sich gleichzeitig die Minister zu der anberaumten Sitzung begaben. Mittlerweile nahmen die Dinge in der Stadt selbst eine Wendung, die den Königlichen jede Hoffnung quf einen glücklichen