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1 796 L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. Stelle behauptet hat. Aus Mangel an Schießbedarf mußten die Truppen am späten Abend das mehrmals genommene und wieder verlorne Stadthaus den Volksstreitern überlassen. Erschöpft und niedergeschlagen kehrten sie »ach dem Centrum der Stellungen in der Nähe des Hauptquartiers, um die Tuilerien, das Louvre, das Palais-Royal zurück. V-rmitlk. Neben den Straßen- und Barrikadenkämpfen liefen Unterhandlungen ein- her, um dem Blutvergießen und dem Bürgerkriege Einhalt zu thun. Wie am vorhergehenden Tag bei Pericr bestimmt worden war, traten die in Paris an wesenden Deputaten, dreißig bis vierzig an Zahl, um Mittag bei Audry de Puyraveau zu einer neuen Bcrathung zusammen. Auch Lafayctte und Laffitte, welche während der Nacht nach Paris gekommen waren, fanden sich ein. Aber auch jetzt noch waren diese Anhänger des Verfassungsstaates so weit von revo lutionären Gedanken entfernt, hatten so wenig Vertrauen auf einen siegreichen Ausgang der Volkserhebung, daß sie den Vorschlag Mauguin's, zur Einsetzung einer provisorischen Regierung zu schreiten, kurzer Hand abwiesen, daß sogar ein von Guizot entworfener Protest gegen die Verordnungen, obwohl er von Be- thcucrungen der Treue und Loyalität gegen den König überfloß, ohne Namens unterschriften in die Druckerei des Temps geschickt ward; und daß man sich nur zu dem Beschluß vereinigte, auf dem Wege der Bitten und Vorstellungen die Beendigung des Blutvergießens und die Zurücknahme der Ordonnanzen zu er wirken. Zu dem Zweck wurde eine Deputation in die Tuilerien abgeordnct, bestehend aus Laffitte, Casimir Perier, Mauguin und den Generalen Lobau und Gerard, welche dem Marschall ihr Anliegen vortragen sollten. Zugleich bewogen sie den Grafen Vitrolles, der trotz seiner royalistischen und klerikalen Gesinnung an dem Staatsstreich mit seinen blutigen Folgen kein Wohlgefallen hatte, daß er sich nach St. Cloud begab, um bei dem König und dein Hof in demselben Sinn zu wirken; ja selbst Polignac sollte mit der Bitte um Nachgie bigkeit angegangen werden. Alle diese Versuche blieben erfolglos. Der Mar schall Marmont, den schon vor der Ankunft der Deputation sein Freund, der berühmte Physiker und Astronom Arago vergebens aufgefordert hatte, daß ei dem König, falls dieser sich weigere die Ordonnanzen zurückzunehmen und die Minister zu entlassen, den Oberbefehl zurückgebe, behandelte die Abgeordneten mit soldatischer Ehrenhaftigkeit, wies aber ihr Ansuchen um Einstellung der Feindseligkeiten entschieden zurück, ehe nicht die Aufständischen sich unterworfen hätten. Militärische Ehre und Pflicht, versicherte er, verlangte», daß er den vom König erhaltenen Befehl ausführe. Doch versprach er, ihre Wünsche nach St. Cloud zu melden, gestand ihnen aber, daß er wenig Vertrauen in die Erfüllung setze. Cr hielt Wort; eine Depesche, die er sofort durch seinen Adjutanten, Oberst Konierowsky absandte, unterrichtete den König von dem wahren Stand der Dinge und verhehlte nicht, daß die Lage immer bedenklicher werde. Polignac ließ die Deputation gar nicht vor. In Selbsttäuschung befangen und durch