I. Reaktionäre Experimente u. revolutionäre Gegenschläge. 791 in den Hirtenbriefen und Ansprachen der hohen Geistlichkeit, in den Lohali- tätsversicherungen einer Deputation der Kohlen- und Lastträger von Paris, in der übermüthigen Sprache einiger reaktionären Zeitungen den Ausdruck der öffentlichen Meinung zu erkennen glaubte! Der siegessichcre Ton der frei sinnigen Presse, die Gleichgültigkeit ja Feindseligkeit der Nation gegen die Kricgserfolge in Algier, die unverkennbare antibourbon'sche Strömung, die das ganze Land durchzog, hätte von dem gewagten Schritt eines Staatsstreiches abschrecken muffen. Aber hatte man denn nicht seit der zweiten Restauration so oft erlebt, daß die Reaction, wenn sie nur mit kühnem Selbstvertrauen vorging, ihre Sache siegreich durchführte? So wagte man denn den kühnen Griff. Die Charte selbst sollte unverletzt bleiben, aber der Artikel 14 im absolutistischen Sinne ausgelegt und als Handhabe für die Niederwerfung der parlamentari schen Nebenherrschaft gebraucht werden. t>. Die große Woche. Es war am 25. Juli des Jahres 1830, daß König Karl X. in einem Du Or»°„. Ministcrrath zu St. Cloud aus den Händen Pvlignac's die Schriftstücke ent- gegennahm, worin die berühmten Ordonnanzen enthalten waren, die in der Weltgeschichte eine neue Acra begründen sollten. Nach einigem gedankenvollen Nachsiunen gab der König seine Unterschrift; ihm folgten sämmtliche Mitglieder des Cabinets. „Meine Herren", sagte darauf Karl, „Sie können auf mich zählen, wie ich aus Sie zähle; zwischen uns gilt es jetzt auf Leben und Tod". Abends empfing der Redacteur des Moniteur die Verordnungen, um sie am folgenden Tag in der Staatszeitung zu veröffentlichen. Die erste stellte die Lensur vom 21. Oktober 1814 her, indem sie alle Zeitschriften und alle Bücher unter zwanzig Bogen der Nothwendigkeit einer vorgängigcn, stets entziehbarcn Ermächtigung für Verfasser, Redacteure und Drucker unterwarf. Die zweite löste auf Grund von Wahlumtrieben, die an verschiedenen Orten geübt worden seien, die Abgeordnetenkammer vor ihrem Zusammcntreten auf; die dritte ver kündigte eine neue Wahlordnung mit wesentlichen Verkürzungen der bisheri gen Rechte. Darin war die Zahl der Deputirten von 430 auf 262 herab gesetzt, die jährliche Fünftelerneuerung der Kammer hergestellt, das Recht der direkten Verbesserungsvorschläge der Versammlung entzogen, die Anfertigung der Wahllisten in einer Weise festgesetzt, daß die Wahlen gänzlich dem Ein flüsse der Verwaltungsbeamtcn anheimfielen und das Wahlrecht zum Privi legium der reichsten Grundbesitzer erhoben ward. Indem durch Beseitigung der Patentstcuer aus dem Wahlccnsus der Mehrzahl der Gewerbtreibenden das Recht zu wählen entzogen ward, wurde der Thcil der Wähler, den Polignae neben der Presse als den Hauptgrund alles Uebels bezeichnet hatte, von dem Wahlkörper ausgeschlossen. Drei weitere Verordnungen betrafen