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780 L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. " AA des Gesetzes für den liberalen Fortschritt. Darauf folgte eine Gesetzesvorlage über „periodische Schriften", nach welcher die vorläufigen Ermächtigungen, die Tendenzprozesse, jede Censur wegfallen, die Caution herabgesetzt, gegen Ueber- tretungen von den Gerichten erkannt werden sollte. Hatte der König schon bei diesen Gesetzen Bedenken geäußert, aus denen die Minister die Camarilla hcr- auszuhören glaubten, so fühlte er sich noch mehr in seinem Gewissen beunruhigt, als durch ein drittes Gesetz der Lehrtätigkeit der Jesuiten und der geistlichen Korporationen Einhalt geboten oder doch Beschränkungen auferlegt wurden. Erst nach langer Ueberlegung und Berathnng mit Frayssinous und einigen Bischöfen entschloß er sich, als mehrere Minister mit ihrem Austritt drohten, zwei Ver- ,s. Juni ordnungen zu erlaffen, welche der Priestcrpartei tief ins Fleisch schnitten. Die ^ ^ erste verfügte, daß die Jcsuitenschulen, die nach den Berichten der Untersuchungs- commission in acht Orten (Aix, Bordeaux, Dole, Montmorillon u. s. w.) bestan den, vom 1. October an der Universität untergeordnet werden sollten und kein Geist licher, der einer in Frankreich nicht gesetzlich anerkannten religiösen Genossenschaft angehöre, an einer Secundärschnle ein Lehramt bekleiden dürfte. Eine zweite Verordnung setzte die Zahl der geistlichen Lehranstalten und Zöglinge fest und bestimmte die Stiftung von achttausend halben Freistellen (von 150 Fr.) aus Staatsmitteln zur Unterstützung vermögensloser junger Leute, die sich dem geist lichen Stande widmen wollten. Die ultramontane Geistlichkeit und die klerikalen Zeitungen wütheten über diese Verordnungen, über solche Herabwürdigung, Be raubung, Verfolgung der Kirche. Der Erzbischof Qnclen von Paris richtete eine Vorstellung an den König; der ultrahierarchischc Erzbischof von Toulouse, Clermont-Tonnere, berief sich zur Wahrung seines Gewissens auf den Wahl spruch seiner Familie. Man wendete sich an die römische Curie, um eine Ein sprache zu erzielen. Aber diese rieth, man solle der Weisheit des Königs ver trauen und in Eintracht mit ihm gehen! Das übermüthige Auftreten der fran zösischen Prälaten mißfiel in Rom. In dieser nachgiebigen Haltung der Curie glaubte Lamennais zu erkennen, daß die Kirche sich selbst aufgegeben, und schloß sich der Demokratie an. Von den Jesuiten wanderte ein großer Theil nach der Schweiz und nach Savoyen aus. E>n,p°i>iis-be Nie waren Regierung und Gesetzgebung in besserem Einvernehmen als zu dieser Zeit. Man war auf beiden Seiten bemüht, durch Mäßigung alle Con- Eouard, flirte ^ vermeiden, alle Schärfen abzuschleifen. Der Antrag der Linken, daß die Preßprozeffe vor die Jury gebracht werden sollten, wurde abgelehnt; die Ausgaben für die Schweizer Regimenter bei Berathung des Budget wurden mit Schonung und Zurückhaltung besprochen; die auswärtige Politik in den griechi schen Verwickelungen fand Anerkennung. Dieses einträchtige Zusammengehen war zum guten Theil dem Kammerpräsidenten Royer-Collard zu danken, dessen Rechtschaffenheit, vaterländische Gesinnung und gemäßigter Freimuth von allen Seiten geachtet ward. Ehrwürdig durch seine wissenschaftliche Stellung als