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I. Reaktionäre Experimente u. revolutionäre Gegenschläge. 759 und Fachwerk anfgcführte Gebäude gewährte ihnen geringen Schuß. Hussein Pascha verstellte alle Ausgänge und ließ das Haus in Brand stecken. Verzweif lungsvoll flehten die Eiugeschlosscncn um Gnade. Aber ihre Abgesandten wurden unterwegs in Stücke gehauen. Der Mufti sprach feierlich den Fluch über sie aus, erklärte ihre Niederwerfung für ein gottgefälliges Werk und den Tod, der im Kampfe wider sie erlitten würde, für ein Glaubensniartyrium. So begann denn ein furchtbares Blutbad unter de» Rebellen; wer sich den Flammen der brennenden Kaserne entzog, der fand seinen Tod durch die Waffen, sobald er ins Freie trat. „Um neun Uhr Abends war die Kaserne des Etmeidan ein mit Leichen angefüllter Das Blut, rauchender Trümmerhaufen", erzählt Rosen, „jeder Widerstand hatte längst aufgchört, U!n tSM. aber noch dauerte das Gemetzel fort. Die Thore der Stadt waren seit Vormittag bis auf das am Goldenen Horn gelegene Garten-Thor, durch welches die großhcrrlichen Truppen ihre Zuzüge bekainen, geschloffen worden, alle Wachen waren mit Soldaten Huffein Pascha's besetzt, an Entrinnen war demnach nicht zu denken. Gegen tausend Ianiticharen wurden von den Truppen und Bürgerwachen — Ehl-i-Vrz, Ehrenmän ner, wie sie sich nannten — nach dem Hippodrom geschleppt und vor ein Kriegsgericht gestellt, welches außer dem fürchterlichen Hussein Pascha den Mufti, die Kaziaskers, den Großwesicr u. A. zu seinen Mitgliedern zählte. Das Verfahren war hier eben so sum marisch als rücksichtslos. Vorgeführt zu werden war ein hinreichender Grund zur Verurtheilung; die ganze Menge wurde kaltblütig erdrosselt und die Leichen in das Marmora-Meer geworfen". Gleichzeitig wurden die Kessel — bis dahin der Schrecken der christlichen Rajah und ein Gegenstand der Verehrung der Mohammedaner — öffent lich mit Koth besudelt, die Fahnen zu Boden getreten und zerstückelt, die charakteri stische, den Acnucl des National-Heiligen Hadji Bcktasch nachahmcnde Filzmütze der Zanitscharen durch die Straßen geschleift und ein Ferman veröffentlicht, welcher die Vernichtung des Corps und seinen Ersah durch eine neue Truppe, die „neue siegreichem. Juni mohammedanische Armee" aussprach, mit Aufzählung aller der schlimmen Folgen, Et welche die entarteten Zanitscharen durch ihre Unthalen und ihre Widersetzlichkeit über das Türkenreich gebracht. Man wüthctc sogar gegen den Rainen Zanitscharen, der in Kon- stautinopcl nicht mehr laut ausgesprochen werden durfte, und gegen die marmornen Lcichcnstcine auf den Bcgräbnißstcllcn, welche durch die auf ihnen dargestcllte Filzärmcl- mütze ihren janitscharischcn Ursprung bekundeten. Die Moschee der Zanitscharen, ihre Tavernen und Kaffeehäuser wurden niedergeriffcn; die Brandlöscher und Last träger, die den Zanitscharen affiliirt waren, wurden hingcrichtct oder nach Anatolien verbannt und durch armenische Baucrnburschc ersetzt. Der den Zanitscharen verwandte und verbrüderte Derwisch-Orden der Bcktaschi, der dem Volke als heilig galt, wurde aufgehoben, seine vierzehn Klöster geschleift, der Scheich enthauptet und sein Kopf auf einem Schandpsahl aufgepflanzt. Noch lange dauerte die Schreckensherrschaft fort. Seit seinem Regicrungs- D>-Hmschas« antritt hatte Mahmud Listen von verdächtigen und mißliebigen Personen anfer tigen lassen. Nach diesen wurden nun die Verhaftungen und Hinrichtungen vorgenomnien. In wenigen Tagen erreichte die Zahl der Erdrosselten und ins Meer Geworfene» viertausend. Die Blutgerichte erstreckten sich über das ganze Reich. Zitternd nannte das Volk den furchtbaren Sultan „Chunkiar", Gebieter,