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24. Dc-br. >825, Eoldatknauf- stand in Pe tersburg. 26. Decbr. 1825. i»i Reichsrath hatte iiiederlcge» lassen; der dritte Bruder, Nicvlaus, war ohne offizielle Kenntniß von diesem wichtigen Act geblieben und trug überhaupt, da er, für das Militär erzogen, sich der hohen Aufgabe eines Herrschers nicht ge wachsen fühlte, wenig Neigung die Regierung anzutreten. „In allen vier Söhnen des ermordeten Kaisers Paul schien die Erinnerung an den grausigen Ausgang ihres Vaters jeden übermäßigen Drang nach Thron und Herrschaft erstickt zu haben". So war die Thronfolge eine Zeitlang in der Schwebe, und statt eines Bruderkampfes um den Besitz der Krone, wie er sonst in der Weltgeschichte häufig genug vorkam, erlebte man das seltene Schauspiel einer großmüthigen Resignation. Konstantin huldigte in Warschau dem Großfürsten Nicolaus und dieser leistete in Petersburg dem ältern Bruder den Eid der Treue. Der vierte Prinz, Großfürst Michael, reiste von einer Hauptstadt in die andere, um den Wettstreit auszugleichen. Vier Wochen bestand tatsächlich ein Interregnum, bis Konstantin endgültig ablehnte und den Beschluß schriftlich nach Petersburg eiusandte Da verkündete denn Nicolaus seine Thronbesteigung, deren Anfang durch ein Manifest auf den Todestag Alexanders zurückverlegt ward. Diese Ungewißheit und Spannung machten sich die Vcrschwornen, größten- theils dem Militärstand angehörend, zu Nutze, um einen Aufstand zur Erlan gung einer Verfassung zu erregen. Sie verbreiteten das Gerücht, Konstantin habe dem Throne keineswegs entsagt, Nicolaus sei ein Usurpator und habe seine Brüder ins Gefängniß werfen lassen. Durch allerlei Mittel brachten sie es dahin, daß ein Zheil der Truppen dem neuen Zaren, der wegen seiner militärischen Strenge bei dem gemeinen Mann wenig beliebt war, Eid und Huldigung ver weigerte. Die Aufwiegler, unter denen die Brüder Bcstuschew und der Lieute nant Kachowski sich am thätigsten zeigten, hatten den Fürsten Trubetzkoi zum Oberbefehlshaber ausersehen. Eine provisorische Regierung von fünf Räthcn sollte bestellt und eine Constitution eingeführt werden. Den Soldaten, die das Wort nicht verstanden, sagte man, Constitution sei die Frau von Konstantin. Als nun am 26. December vor dem Winterpalast das Manifest verlesen und die Beeidigung der Truppen vorgcnommen ward, zog das Regiment Moskau in vollem Aufruhr nach dem Senatsplatz und stellte sich im Viereck bei dem Denkmale Peters des Gr. auf. Bald schlossen sich die Marinesoldaten und drei Compagnien Leibgrenadiere den Aufständischen an, mit Hochrufen auf Konstantin und seine Frau. Der alte General Miloradowitsch, der die Meuterer zum Ge horsam und zur Ordnung aufforderte, wurde von Kachowski rücklings erschossen. Ein Reiterangriff ward zurückgeschlage»; die Beschwichtigungsversuche des Groß fürsten Michael und des Metropoliten Seraphin wurden mit Hohn abgewiesen. Die Lage war nicht gefahrlos; aber zum Glück für den Kaiser war das Unter nehmen ohne Plan und Führung. Trubetzkoi zeigte sich nicht; Pestel war fern; kein leitendes Haupt, um die lärmenden, zum Theil betrunkenen Jnsnr- gentenhaufcn, denen die strenge Wintcrkälte sehr beschwerlich zu werden begann,