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744 8. Vom Wiener Kongreß bis zur Julirevolution. jene Staatsform handelte, sondern um die Begründung nationaler Selbständig keit und menschenwürdiger Lebensbcdingungen. Im Jahr 1812 war zu Athen eine Gesellschaft gegründet worden, die wegen ihrer auf wissenschaftliche Aus bildung der Griechen und auf Erhaltung der alten Denkmale und Kunstschätze gerichteten Bestrebungen sich den Namen: Hetärie der Philomusen gab. Graf Johann Kapodistrias aus Korfu, den wir als russischen Bevollmäch tigten auf dem Wiener Kongreß kennen gelernt, ein kluger, feingebildeter Mann von warmer Anhänglichkeit an sein Volk, wenn auch nicht frei von Ehrgeiz und Selbstsucht, übernahm die Vorsteherschaft dieser Gesellschaft der Musenfreunde und suchte die Fürsten und Monarchen Europas zum Beitritt oder zur Förde rung zu bewegen. Zwei Jahre nachher bildete sich auf russischem Boden, in Odessa, eine andere rein politische Gesellschaft: die Hetärie dcr Philiker. Die Mitglieder derselben, Männer ohne Namen und Bedeutung, spiegelten nun, um mehr Anhang und Vertrauen zu finden, den leichtgläubigen Griechen vor, daß sie mit der Philomusengesellschaft in Zusammenhang ständen, und daß die geheime Spitze, die Arche ihres Bundes, der Kaiser von Rußland sei. So fanden sie weit und breit Anklang: bald hatte der politische Kern, der sich aus dem Philomusenvereine hcrausgcschält, die wissenschaftlichen Bestrebungen überwuchert. Im Jahr 1820 sandten die Philiker einen ihrer Directoren, Cmanuel Xanthos nach Petersburg und trugen die Vorsteherschaft (Ephorie) ihres Bundes dein Grafen Kapodistrias an. Dieser lehnte ab, redete aber dem Fürsten Vpsilanti zu, die Stelle anzunehmen. So trat Alexander Vpsilanti, der Sohn des im Jahr 1805 von den Türken Hingerichteten Moldauischen Dynasten Konstantin, an die Spitze der „Hetärie". Er beschloß, trotz der Abmahnungen einsichtiger Freunde, insbesondere des Hospodars der Moldau und Walachei, Alexander Sutsos, zuerst in den Fürstenthümern losznschlagen, überschritt, als um diese Zeit der ihm wohlgesinnte Michael Sutsos seinem Vater in der Fürstenwürde folgte, den Pruth und erließ den erwähnten Aufruf an die Hellenen und an die „Dakier", wie er pomphaft die Rumäne» der Moldau und Walachei nannte. Durch dies Auftreten eines russischen Militärs, der den Schutz einer Großmacht in Aussicht stellte, sah sich das Kabinet von St. Petersburg der Pforte und den europäischen Mächten gegenüber in große Verlegenheit gesetzt. Der Kaiser ent ließ daher den Fürsten Vpsilanti sofort aus seinen Diensten und gab ihm deutliche Zeichen des Mißfallens. „Keine Hülfe, weder mittelbar noch unmittelbar, könne ihm gewährt werden", schrieb der Kaiser selbst an den Fürsten,, „denn es würde seiner unwürdig sein, den Grund des türkischen Reichs durch die schmähliche und schuldvolle Thätigkeit einer geheimen Gesellschaft zu unterwühlen". Trium- phirend schrieb Gentz: Nach diesem unsterblichen Aktenstück sei an dem vollstän digen Sieg über die Revolution nicht mehr zu zlveifeln. „Gott streitet für uns und mit uns". Und allerdings wirkte der Schlag lähmend auf Vpsilanti; er begann zu unterhandeln und unsicher hi» und her zu ziehen; in seiner Umgebung