Volltext Seite (XML)
742 u. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. für die Erzeuger; zwei Jahre später dehnte er dieses Zwangsrecht auch auf Indigo. Sesam und andere Oelkörner aus. Er setzte eine Commission zur Prü fung der Besitztitel auf das Grundeigenthum nieder. Wer sich über seinen Rechtsanspruch nicht auswcisen konnte, verlor sein Eigengut und mußte es fortan als Pächter des Pascha gegen schweren Zins bewirthschaften; wer im Besitz seines Eigenthums verblieb, kam durch hohe Abgaben, durch Naturallie- ferunge», durch die Verpflichtung, die Ernte zu bestimmten Preisen an die Ne gierung abzugcben, in eine nicht minder gedrückte Lage. „Aegypten glich einem ungeheuren von schlecht gehaltenen Leibeigenen zum Vortheil eines Einzigen au- gebanten Landgute". Was vermochte der Divan gegenüber einem Herrscher von solcher Macht, solcher Energie, solchen Einkünften? Man mußte zufrieden sein, daß der „Vicekönig", wie die europäischen Höfe ihn bezeichneten, die Formen der Untcrthänigkeit gegen den Sultan festhielt, daß er den gesetzlichen Tribut entrich tete, daß er sich bereit erklärte, Heer und Flotte der Pfortenregierung zur Ver fügung zu stellen, so oft sie derselben bedürftig sei. Aber in Konstantinopel empfand man es schmerzlich, daß Alles von dem guten Willen des ägyptischen Herrschers abhängig sei, daß man diesen guten Willen sich durch Gegendienste und Zugeständnisse zu erhalten suchen müsse. Mehemed Ali war mehr ein freier Alliirtcr der Pforte als ein Untergebener. Sultan Mahmud mußte den Usur pator, der ihm das schönste Neichsland entfremdet, mit Güte und Schonung behandeln, auf daß er ihm in den schwierigen Zeitlagen dienstbereit und hülfreich bcistand. Der griechische Befreiungskrieg, in welchem Mehemed Ali für die Pforte und für den Islam eintrat, vermehrte sein Ansehen. Die europäischen Mächte betrachteten den Vicekönig wie einen selbständigen Potentaten. In den Unterhandlungen mit ihm oder seinem Adoptivsohn Ibrahim, dem furchtbaren Feldhauptmann, der das wilde Wesen eines Barbaren unter Formen europäi scher Politur zu verhüllen wußte und vor dessen gewaltiger Soldatcnnatur die Armee sich in Gehorsam beugte, war von den großhcrrlichen Souveränetäts- rechten keine Rede. 2. Griechenlands Freiheitskämpfe bis zum Fall von Mesolonghi. Npsilaitti m Am 8. März 1821 las man an den Straßenecken Jassy's eine» Aufruf an die Con! Hellenen, die Waffen zu ergreifen, um gleich den übrigen Völkern Europas ihre ÄiÄ" Rechte und Freiheiten zu erkämpfen, das Vaterland von der schmählichen Ty rannei der weichlichen Nachkommen des Darms und Fernes zu befreien. Die Serben, die Sulivten, ganz Griechenland seien kampfbereit, eine große Macht werde Schutz und Hülfe leisten. Die Proklamation rührte von Alexander Bpsilanti her, einem tapfer« patriotischen Fanarioten aus altbyzantinischeni Fürstcngeschlecht, der im russischen Kriegsdienst wider Napoleon gestritten, in der Schlacht bei Dresden die rechte Hand verloren hatte und neben dem Ionier