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54 Europa unter Bonapartischem Einfluß. II. Der Weite Coatitionskricg und der 48. Srumaire. 1. Der neue Völkerkrieg und die Wechselfälle in Italien. B-d-umn/Ä So war die politische und militärische Lage Europa's beschaffen, als der neuen Kriegs. Krieg aufs Neue zum Ausbruch kam. Es war der zweite Versuch der monarchi schen Mächte, durch einen Gesammtschlag die ausgreifende Revolution mit ihren demokratischen Umsturztendenzen zurückzuweisen und zu unterdrücken, die alten gesellschaftlichen und staatlichen Ordnungen zu erhalten und herzustellen, die Gebilde und Ueberlieferungcn einer historischen Vergangenheit vor dem revo lutionären Zeitgeist zu schützen, der unter dem Schilde einer erobernden militä risch organisirten Republik alle europäischen Staaten zu erfassen und zu zersetzen drohte. War man vor sechs Jahren ausgezogcn, um in Frankreich selbst König thum, Hierarchie und Adel vor der Vernichtung zu bewahren, so zog man jetzt aus, um die revolutionäre Ucberfluthung der Nachbarstaaten zu verhindern: in der Schweiz und in Italien sollten die noch im Werden begriffenen Neubildungen unterdrückt werden, ehe sie zu lebenskräftiger Entwickelung gelangt seien; in Deutschland sollten die drohenden Säkularisationen der geistlichen Staaten ab- gewendct, in Holland die oranische Herrschaft zurückgeführt, in Rom und Malta das Pontificat und der christliche Ritterorden hergestellt, im Orient die Osmancnherrschaft erhalten werden. Die Beschaffenheit der großen Allianz mächte, die in den neuen Weltkampf eintraten, gibt ein getreues Bild von der Zerfahrenheit und Umwälzung aller historischen und politischen Traditionen in dem letzten Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts. Das katholische absolu tistische Oesterreich, das griechisch-orthodoxe autokratische Rußland, das schisma- tische parlamentarische England, die despotische mohammedanische Türkei zu einem Bund vereinigt, dessen Hauptzweck die Erhaltung der klerikalen und feu dalen Herrschaft war, gegenüber einem Verein von Staaten, die Jahrhunderte lang die Vorkämpfer kirchlicher und hierarchischer Interessen gewesen, Frankreich, Spanien, Belgien! Dort lautete die Parole: Beschützung und Wiederherstel lung der alten Ordnungen in Staat, Kirche und Gesellschaft, wie schadhaft und erschüttert sie immer sein mochten. Hier zog man noch immer unter der Fahne der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ins Feld, wie sehr sie auch in den eroberten Ländern bereits zum Zerrbild geworden, dem Eigennutz, der Gewaltthätigkcit, der Factionswuth als Schild dienten. So erhob sich denn ei» furchtbarer Krieg, der sich von Neapel bis an die Nordsee ausdehnte, in Italien, in der Schweiz, in Süddeutschland und in Holland wüthete, im Orient und zur See seine Rück schläge fühlbar machte und neben den Waffen und Armeen auch Ideen und Prinzipien ins Feld führte. Es zeugt von der wunderbaren Kraft und Energie, welche die französische Republik durch die Revolution erlangt hatte, daß während der größte General mit 40,000 Manu der geübtesten Kerntruppen im glühenden