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I. Reaktionäre Experimente u. revolutionäre Gegenschläge. 659 thungen, jene Provinzialstände, befriedigte» in ihrer beschränkten Gestalt kaum die mäßigsten Anforderungen. Lobredner des Rückschritts „suchten das System der Bevormundung und Das System Regierungswillkür historisch wie philosophisch als das einzig wahre zu begrün-Uim». den. Der Anhaltsche Staatsrath Dabelow bewies in einer Aergerniß erregenden Schrift, daß die Unterthanen kein Recht hätten, aus Grund des Artikel 13 der Bundcsacte landständische Verfassungen zu fordern, denn dieser Artikel verpflichte nur die Fürste» unter sich. Romantisch-absolutistische, zur katholischen Kirche übcrgetretcne Staatsrcchtslehrer, wie Haller, Adam Müller, Jarcke, Philipps, die Mitarbeiter und Freunde des Berliner „Politischen Wochenblatts", lehrten die neuen Grundsätze des Staatsrechts der Reaction und des kirchlichen Pietis mus, das für das nächste Jahrzehnt und länger maßgebend bleiben sollte. Besonders einflußreich wirkte „die Restauration der Staatswissenschaftcn" des Berners K. L. v. Haller (ch 1854) auf diese Stimmung des Tages. Nach ihm stammen die Rechte der Herrscher nicht aus Verträgen, sondern sie sind „ur sprünglich eigene, natürliche und erworbene Rechte, auf das Eigcnthum der Herrschenden an dem zuerst von ihnen ergriffenen Lande gegründet. Wie dies Eigcnthum vor dem Staate ist, so sind die Herrscher vor und über dem Volke, das sich nur zu ihnen als Gutsherren oder Familienvätern sammelt und in Dienstverhältnisse zu ihnen tritt". Dein Herrscher zur Seite als Berather steht der Adel, „nicht eine menschliche Veranstaltung, sondern ein Naturerzeugniß, die nothwcndige Folge der Verschiedenheit äußern Vermögens und innerer Kräfte", daher auch nur dem Herrscher verantwortlich und untergeben, wie dieser nur Gott. Allein diese servilen Nechtslehrer sprachen nur im Sinne einer kleinen Minderheit der Nation, und gegen das System der Reaction erhob sich eine ebenso nachhaltige als erbitterte Opposition. Das deutsche Volk, das sich noch vor Kurzem willig und vertrauensvoll um seine Fürsten geschaart, als es galt, das Joch der Fremdherrschaft zu brechen, fühlte sich in seinen Erwartungen schwer getäuscht und verlor das Vertrauen in die väterlichen Gesinnungen der Regierungen. Bald schied sich auch die deutsche Nation in die zwei allcrwärts bestehenden Parteien, in die aristokratische, die sich an die Fürsten und an die Regierungen anlehnte, ihnen ihre conservativcn oder reaktionären Grundsätze einzufloßen suchte, und in die liberale, die eine fortschreitende Entwickelung des Staatswesens in volksfrcundlichcr Richtung anstrcbte. Während in der letzter« Partei die ältern, von praktischer Erfahrung geleiteten Männer ihre Blicke auf England und Frankreich richteten, die modernen Staatsformen mit der Errun genschaft der Revolution in Deutschland zu begründen und die bestehenden Zu stände allmählich umzngcstalten suchten, blickte die Jugend, angeregt durch die romantische Poesie, mit sehnsüchtiger Phantasie auf die Gebilde des Mittelalters und suchte die neue Idee von VolkShcrrschaft unter altdeutschen Formen und Benennungen ins Leben einzuführen. In idealen Träumen sich wiegend, ohne 42*