48 Europa unter Bonapartischein Einfluß. Balcon seines Palastes eine große dreifarbige Fahne mit der deutschen Inschrift „Freiheit, Gleichheit" aufstecken ließ und dadurch den Zorn und das National- gefühl der Wiener Bevölkerung herausforderte. Es erfolgte eine Zusammenrot tung ; drohende und schmähende Volkshaufen umstellten die Wohnung, drangen in den Palast ein; und ehe die zögernden Polizeimannschaften herbeikamen, wurde die wie zum Trotz ausgehängte Tricolore heruntergeholt und in Fetzen zerrissen, in den Gemächern zerstörender Unfug angerichtet. Beleidigt, daß die österreichische Regierung nicht sofort die verlangte Genugthuung leistete, verlangte der Gesandte zornig seine Pässe und verließ die Kaiserstadt. »mm "°n Damit war der diplomatische Verkehr zwischen beiden Staaten aufs Neue Sn,, abgebrochen. Die Unterhandlungen, welche zwischen Francois de Ncufchatean, der im Directorium durch Treilhard, den bisherigen Bevollmächtigten in Rastatt " Ä! ersetzt worden war, und dem Grafen Cobenzl mehrere Wochen hindurch in dem Städtchen Selz gepflogen wurden, hatten keinen andern Erfolg, als daß der Ausbruch der Feindseligkeiten noch einige Zeit hinausgeschoben ward. Denn abgesehen von dem Fahnenstreit in Wien und der Weigerung Thugut's, die Genugthuung in der von dem Directorium verlangten übertriebenen Weise zu gewähren, wie sollte Oesterreich die gewaltsamen Uebergriffe der Republikaner in Italien und in der Schweiz ruhig hinnehmen, während seine eigenen Ansprüche auf Grenzerweiterungen in der apenninischen Halbinsel oder auf Erwerbung Baierns stets schnöde abgewiesen wurden? Es änderte wenig an der Lage, daß Graf Cobenzl an der Stelle Thugut's die Leitung des auswärtigen Amtes über nahm, um wenigstens äußerlich den Franzosen einen Schein von Genugthuung und Entgegenkommen zu bieten; ein Wechsel der Politik war damit nicht ver bunden, Baron Thugut führte nach wie vor im Ministerium die entscheidende Stimme. Kii-göamn. Um die Jahreswende waren in ganz Europa die öffentlichen Dinge in einer Weise gespannt, daß ein zweiter Coalitionskricg gegen das gewaltthätige rcpubli- vo» B-»k>n. Frankreich nicht mehr zweifelhaft sein konnte. Die französischen Staats männer in Rastatt wußten den Deputaten der kleineren Reichsfürsten die Säcu- larisationsfrage als Lockspeise vorzuhalten, um sie desto gefügiger in den Grenzregulirungen zu machen, und selbst als die Abtretung des linken Rhein ufers im Prinzip zugestanden war, blieben noch immer französische Truppentheile auf der rechten Stromseite, wurde die Festung Ehrenbreitstcin mitten im Frieden von einem Belagcrungsheer umschlossen und bedrängt, bis die übertriebenen Ansprüche auf die Rheininseln und Sicherheitsplätze zur besseren Vertheidigung der abzutretenden Territorien und Festungen befriedigt sein würden. Dennoch suchte Thugut. der zu Anfang des neuen Jahres aus dem Versteck der angeb lichen Ungnade hervortrat und aufs Neue die Leitung der auswärtigen Angele genheiten in die Hand nahm, noch immer den Schein des Friedcnsstandes ausrecht zu erhalten. Er wollte zuvor von England feste Garantien wegen der