I. Reaktionäre Experimente u. revolutionäre Gegenschläge. 625 neapolitanischen Truppen der Garnison abhalten wollte, das Beispiel ihrer Brüder jenseit des Faro nachzuahmen, rottete sich die Menge zusammen und ließ, mit den Soldaten vereinigt, ihrer Wuth und Zerstörungslust freien Lauf. In Kurzem war die Hauptstadt der Schauplatz wilder revolutionärer Auftritte, namentlich als durch die Kopflosigkeit des schwachen elenden Statthalters Nasclli, eines Günstlings des Königs, ein Vorrath von vierzehntausend Gewehren in dem „Castell am Meere" in die Hände des Volks fiel. Bewaffnete Schaarcn durchzogen die Stadt, stündlich sich vermehrend durch den Anschluß abtrünniger Soldaten, auswärtiger Carbonari und Demokraten, befreiter Sträflinge aus den geöffneten Gefängnissen. In rohem Frevelinuth wandte sich die Masse zu Thaten der Verwüstung, des Raubens und Mordens. Oeffentliche Gebäude, Paläste und Privathäuser wurden ausgcplündert und zerstört, angesehene Männer auf den Straßen getödtet. Die Besatzung schloß sich zum Theil den Aufständischen an, zum Theil wurde sie zersprengt: mit einem kleinen Haufen retteten sich der Statthalter Nasclli und der Commandant Church nach Neapel. Erst nach zwei Tagen gelang es den Staatsbehörden und den Zunftmeistern ig.Jui, >82». durch Errichtung einer Sicherheitsjunta die wilden Wogen der Revolution in geordnetere Bahnen zu lenken. Viele der Uebclthäter zogen in die Provinz ab; aber auch der Fürst Villafranca, den das allgemeine Vertrauen an die Spitze der Giunta berief, vermochte der Pöbelherrschaft nur nothdürftig und mühsam zu wehren. Auch in andern Gegenden der Insel waren Aufstände und Rotti- rungen ausgebrochen. In Messina war bei der ersten Kunde von der neapoli tanischen Revolution von der Besatzung und der Bürgerschaft die Cortesverfas sung anerkannt und dadurch den Aufwiegelungen der Carbonaria eine Schranke gesetzt worden; in Girgenti dagegen erfolgten ähnliche Auftritte wie in Palermo. In Neapel erregten die von Flüchtlingen überbrachten und ins Maßlose m,d übertriebenen Nachrichten von den Gräueln der zweiten „sicilianischen Vesper" Kampf. Entrüstung und Unwillen. Alles war empört über die Schändung der revolu tionären Großthat des Festlandes durch die insularischen Zuchtlosigkeiten und Frevel. Die Eifersucht und der Volkshaß wurden durch lügenhafte Berichte gereizt; Tausende sollten durch die sicilianische Furie ermordet worden sein, während doch die Zahl der Getödteten und Verwundeten nicht viel über hundert betrug. Bei solcher Stimmung fanden die Abgeordneten der Giunta von Pa lermo, welche ein föderatives Staatswesen unter Einem König und Einer Ver fassung, aber mit getrenntem Parlamente und unabhängiger politischer Stellung verlangen sollten, keine günstige Aufnahme in Neapel. Sie wurden sogar eine Zcitlang in Haft gehalten. Die Unfähigkeit der provisorische» Regierung in Palermo, der über die ganze Insel gelagerten Anarchie durch Einführung von Wehrmannschaften nach Art der spanischen Guerillas Einhalt zu gebieten und geordnete Zustände zu schaffen, gab der Idee eines constitutivnell-monarchischen Einheitsstaats mit geeintem Parlamente, wie die Machthaber in Neapel sich den Weber. W-llgeschichle. XIV. HO