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46 Europa unter Bonapartischein Einfluß. wollen, so war es doch kein Geheimniß, daß mehrere derselben in Sondervcr- trägcn die Abtretung ihrer linksrheinischen Territorien gegen Conipensationen auf der rechten Seite zugesagt hatten. Allenthalben Täuschung und Lüge, allent halben betrogene Betrüger, allenthalben selbstsüchtige Tendenzen und Zwecke auf Kosten der Gesannntheit, Egoismus ohne Nationalgefühl. Die Auögki. Die Vertreter der französischen Republik ließen die Ausgleichuugsfrage nicht 17.20.2-m' lange im Dunkeln. Schon in den ersten Wochen des neuen Jahres gaben sie die Erklärung ab, daß Frankreich die Abtretung des ganzen linken Rhcinufers be gehre und daß die Reichsstände, die dadurch Einbußen erleiden würden, auf der rechten Seite entschädigt werden sollten. Daß dies nur durch Säkularisation geistlicher Territorien geschehen könne, war schon längst Jedermann klar. Es entsprach dies dem der Kirche abgewandten Zeitgeiste und war schon in geheimen Sonderverträgen als möglicher Fall angenommen worden. Selbst Oesterreich hatte sich das Erzstist Salzburg nebst der Jnnlinie mit Passau als Aequivalent für seine linksrheinischen Abtretungen zusprcchcn lassen. So gestaltete sich denn der Rastattcr Congreß bald zu einer Ringbahn der eigennützigsten und selbstsüch tigsten Bestrebungen, zu einem Auflösungsprozeß Noll der widerwärtigsten und unwürdigsten Erscheinungen. Der Congreß von Rastatt war die Leichenfeier des heiligen römischen Reichs deutscher Nation; und es schien, als sollte die ganze Zerrissenheit, Pedanterie und Starrheit desselben noch einmal vollständig zu Tage kommen. Man weiß nicht, soll man mehr über die Frivolität und den Leichtsinn der Diplomaten erstaunen, oder über die Niederträchtigkeit und Charakterlosigkeit, woinit die Gesandten der kleinen Höfe durch Kriecherei und Bestechung des französischen Botschaftspersonals bis zum Kammerdiener und Kutscher herab um Frankreichs Protection buhlten, oder über die Dreistigkeit und jacobinische Rohheit der republikanischen Geschäftsführer, welche die entzweiten Großen gegenseitig durch Erregung ihrer Eifersucht in Schach hielten, die Mitt leren und Kleinen abwechselnd liebkosten oder schreckten und dadurch die hülf- lose Lage des Reichs vollkommen auszubeuten verstanden. „Wenn es in einer so trüben Geschichte ein Trost sein könnte", sagt Häusser, „daß alle die Mächte und Stände, die das alte Reich bildeten, gleichmäßig zu dessen Auflösung mit- gcwirkt haben, so ist uns dieser Trost in vollem Maße zu Theil geworden. Oesterreich und Preußen, Baiern, Bade» wie Pfalzzweibrücken, die weltliche wie die geistliche Fürstenschaft, sie sind alle in diese Schuld gleich tief verstrickt und Keiner hat Ursache, den Andern um seines geringen Patriotismus willen vor der Nachwelt anzuklagen". In allen Schichten war das deutsche Nationalbewußtsein durch politischen Partikularismus und ideales Weltbürgerthum von Grund aus erschüttert und verblaßt. Das Divla- Es kann hier nicht der Ort sein, in das Gewirre der Rastatter Verhandlungen einzudringen, die sich durchkreuzenden Vorschläge und Tendenzen, die brutalen mit Kriegsdrohungen verbundenen Anmaßungen Frankreichs, das allmähliche Zurückweichen