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600 L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. Brust. Parlier, der aus der Haft entkommen in Coruna die Fahne der Empö- ^8i5 erhob, büßte den kühnen Versuch, das Land von dem unwürdigen Joche zu befreien, am Galgen; der Advocat Richart, der Anstiftung eines weitverzweig- M-ij i8w. ten Complots angeklagt, und einer seiner Mitschuldigen erlitten dasselbe Schick sal und ihre Häupter wurden öffentlich an der Straße aufgepflanzt; General Lach, der das Beispiel Porliers in Catalonien nachahmte, wurde zur Nachtzeit von Barcelona nach Mallorca geführt und im Festungsgraben von Castell Bel- s. 2un,817. var erschossen. In Valencia ließ der blutgierige Gcneralcapitnn Elio die Unzu friedenen zu Hunderten hinrichlen. Eine Hofdienerschaft (Camarilla), bestehend ans selbstsüchtigen Privilegirten, aus fanatischen Priestern, unter denen der lasterhafte Canonicus Blas Ostolaga den unheilvollsten Einfluß übte, aus schmeichelnden Höflingen und ränkevollen Weibern, erlangte Ferdinands Ver trauen und trieb ihn zur grausamsten Verfolgung aller Liberalen. Unter der Aegide des fanatischen Nuntius Gravina ergoß sich eine klerikale Sturmfluth über alle freisinnigen Einrichtungen und Prcßerzeugnisse. Agenten der Camarilla durchzogen die Provinzen und organisirten ein verruchtes System von Angeberei, Jntrigue und Terrorismus. Renegaten wurden mit Aemtcrn und Ehrenstellen belohnt. Haussuchungen, Verhaftungen durch die Schergen der Inquisition zur Nachtzeit, politische Prozesse füllten alle Gemüther mit Angst und Schrecken. - Der Justizminister Macanaz, der nicht willfährig genug war, wurde von dem König selbst im Bette verhaftet; San Carlos mußte seine Entlastung nehmen. An seine Stelle trat Don Pedro Cevallos, eine politische Wetterfahne, einst eine Creatur Godoy's, jetzt von den Ultramontanen und Beichtvätern auf den Schild gehoben. Napoleons Wiederkehr von Elba und die Schlacht bei Waterloo brachten keine Veränderung des Systems. Man benutzte in Madrid die Gelegen heit, um von England Subsidien zu erpressen, unterließ aber alle kriegerischen Anstalten. Als auch diese letzte Gefahr vorübcrgegangeu war, feierte die Herr schaft der Hofdiener noch mehr als zuvor ihr goldenes Zeitalter. Die Verwen dung des Botschafterraths in Madrid für die eingckerkerten Cortesmitglieder hatte keine Wirkung. Man wußte zu gut, wie wenig Sympathie die Großmächte für die spanischen „Jacobiner" hegten, als daß man darin mehr denn eine Form und Anstandssache gesehen hätte. Die spanische Barbarei blieb der europäischen Einivirkung völlig unzugänglich. Bei dem rivalisirenden Bestreben der einzelnen Höfe, ihre Sonderinteressen in Madrid zur Geltung zu bringen, fand die Cama rilla stets leichte Wege, jedem gemeinsamen diplomatischen Eingreifen vorzu beugen oder es zu paralysiren. Die Empörungen, welche dieses Regiment der Willkür und der Rache in den Provinzen hcrvorrief, vermehrten nur die Wuth der Verfolger und die Zahl der Opfer. Verwaltung und Rechtspflege befanden sich im jammervollsten Zustande, die Staatskasse war. trotz des Steuerdrucks, gänzlich erschöpft, die südamerikanischen Kolonien pflanzten die Fahne der Un abhängigkeit auf, Handel und Wandel stockte, Unmuth und Verstimmung