574 L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. und Autoritäten, theils durch Fortbildung der Revolutionsidecn in ihren schöpfe rischen Erscheinungen; in Italien, wo die Restauration alles politische und na tionale Leben mit einer Todeshand niederzudriicken suchte, verfolgte die Literatur in erster Linie politische Zwecke im Dienste einer vaterländischen Wiedergeburt; in Deutschland dagegen, wo sich die Träger des Geistes- und Gemüthslcbcns aus Verzweiflung über die freudenleere und freiheitlose Gegenwart einem über schwenglichen Subjektivismus und Idealismus ergaben, im Reich der Träume und der Phantasie, bei den Grieche», im Orient oder in der vaterländischen Ver gangenheit Trost und Erhebung suchten, gewannen die erhaltenden und rück schrittlichen Tendenzen die Oberhand über die Anhänger und Verkündiger frei sinniger Geistesrichtungen, indem sie den freien Gedankeuflug durch die Gebilde einer wuchernden Gemüths- und Phantasiewelt hemmten und im Gegensatz zu der unbefriedigenden Wirklichkeit einer einseitigen wurzellosen Idealwelt nachjagten. Und gerade dieser deutschen Literatur und Poesie war eine Mission von der größten Bedeutung und Wirksamkeit zugefallen, deren Spuren sich in allen europäischen Staaten erkennen lassen. Es war die neuromantische Schule, die den Grund zu einer Weltliteratur und zu einer neuen Weltanschauung legte. Sie war schon im Werden und Wachsen, als die französische Revolution ihren erschütternden Zug durch die europäischen Länder antrat. Eine geistige Gegenmacht gegen die rationalistische und skeptische Gedankenrichtung des acht zehnten Jahrhunderts, trat sie daher naturgemäß auch in einen Gegensatz zu den Ideen der Revolution selbst. Dies sicherte ihr eine weltgeschichtliche Stellung im Kampfe wider die revolutionären Gewalten, daher auch ihre Häupter der Re aktion willkommene Dienste leisteten. Wir werden diese Bewegung und Zeitströ mung auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft später in einem Gesammt- bilde zusammenfasscn. Mochten auch die Geister allmählich auseinander gehen und sich neue Bahnen brechen, in den Jahren des Napolevnische» Jmperatoren- reichs und der Bourbon'schen Restauration knüpfte die Hauptrichtung in der Literatur, die als neuromantische Schule bezeichnet wird, mit den conservativen Kreisen in der Staatsgesellschaft einen festen Bund, der mit mehr oder minder Klarheit und Entschiedenheit den beiden Grundsätzen huldigte, „daß die In teressen der Ordnung und des Rechts in allen Ländern solidarisch miteinander verbunden seien und daß die wichtigste Stütze der guten Gesinnung in einer ein flußreichen strengdisciplinirten Kirche gesucht werden müsse". Diese Kirche konnte nur in Rom gefunden werden. Und so sehen wir denn während der fünfzehn Jahre, da die Politik der heiligen Allianz in der Höhe war, in ganz Europa, insbesondere in Frankreich und Deutschland, katholisirende und reactionäre Ten denzen mit Vorliebe gepflegt und begünstigt. Wenn in Deutschland bei den Häuptern und Anhängern der Romantik mehr das Kunstinteresse als die Glau benslehre das überwiegende Moment bildete, so erblickten in Frankreich die Männer der erhaltenden und rückschrittlichen Politik in dem Stabilitätsprinzip