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57V L. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. Hastigkeit. Unzufrieden, daß der Wiener Congreß nicht allenthalben die alten Zustande zurückgeführt, erhob der päpstliche Stuhl, wie einst gegen die Friedens schlüsse von Münster und Osnabrück, so jetzt gegen die Wiener Verträge Ein sprache und suchte sich den Charakter der Unwandelbarkeit zu wahren durch Wiedereinführung veralteter Formen und abgestorbener Einrichtungen und Ge bräuche, ohne zu bedenken, daß ein Menschengeschlecht, das von dem Baume der Erkenntniß genossen, nie wieder in den Stand der Unmündigkeit, der kind lichen Unschuld, der geistigen Armuth zurückkehrt. Die römische Curie ließ sich nicht von der Idee christlicher Toleranz Hinreißen, nicht zur Anerkennung des neuen Völkerrechts bewegen, wonach alle christlichen Glaubensgenossenschaften als gleichberechtigte Glieder der Völkerfamilie gelten sollten. Während die drei Monarchen ohne Rücksicht auf Confessionsverschiedenheit sich die Hand zum Bruderbund reichten, stellte der Papst die „Congregation für Reinerhaltung des Glaubens" her, erklärte die protestantischen Bibelgesellschaften für eine Pest und rief 7. Aug. i8i4. durch die Bulle SoUioituäo omuium den Jesuitenorden ins Leben zurück. Offen oder versteckt zogen die Väter Jesu bald wieder in die meisten katholischen Länder Europas ein, in Italien, Schweiz, Belgien, Irland, Oesterreich, Frank reich, Deutschland, bemächtigten sich des Jugendunterrichts und streuten aufs Neue den Samen religiöser Zwietracht. Als Gegenmacht gegen den aufstreben den demokratischen Geist des nach Aufklärung trachtenden Volkes erlangten die Jesuiten und alle Förderer und Träger der hierarchischen, auf Hemmung des vorwärts eilenden Zeitgeistes gerichteten Bestrebungen Gunst und Unterstützung bei den höheren Ständen, bei Fürsten, Adeligen und Regierungen. Die freien Regungen und die Forderungen zeitgemäßer Reformen, die sich in beiden Kirchen immer stärker kundgaben, fanden dagegen wenig Beachtung und Erhörung bei den Regierenden. Auch der abgestorbene Johanniterorden feierte wieder ein Auferstehungsfest aber ohne verjüngte Lebenskraft. Vergebens suchte der vater ländisch gesinnte Wessenberg, Bisthumsverweser von Constanz, den Aufschwung der Seele, der sich nach dem Riesenkampf gegen den Imperator bei der deutschen Nation so jugendlich regte, zu einer friedlichen und gerechten Ausgleichung zwi schen Rom und Gesammtdeutschland zu benutzen, die Verhältnisse in der Kirche und zwischen Staat und Kirche in humanem Sinne aus einem verständigen Fuße zu ordnen; er wurde von Rom verworfen, von den deutschen Fürsten ver lassen und verleugnet. Die Curie, erschreckt durch den hier und da hervortre tenden Gedanken einer Nationalkirche mit Synoden und einem fürstlichen Primas, zog es vor, mit den kleineren deutschen Regierungen katholischer Confession „Con cordate", mit den evangelisch-protestantischen „Conventionen" zu schließen, die in der Unbestimmtheit oder Vieldeutigkeit ihrer Ausdrücke der römischen Arglist ein fruchtbares Feld geistlicher Herrschaft und Einmischung boten. Durch die Bulle Urovicka solersHUL, welche nach der mit Preußen abgeschlossenen Uebereinknnft is.Aug.i82i. den Frankfurter Bundesstaaten abgerungen ward, hielt Rom seine Gewohnheit