568 u. Vom Wiener Congreß bis zur Julirevolution. einstimniung stehen, aber den Bedürfnissen der Gegenwart und den Lehren der Erfahrung Rechnung tragen sollte. Kunst und Wissenschaft arbeiteten der Politik in die Hände, um den Fortschritt zu hemmen, dem Geistesleben eine rückläufige Bewegung zu geben, die Freiheit der Vernunft und der Gedanken durch gegebene Formen und Schranken zu begrenzen und unter die Macht der Autorität zu beugen. Allein nicht überall konnte unbedingt auf die alten Institute und Satzungen zurückgegangen werden: die Vorstellungen und Bedürfnisse waren anders geworden; man mußte dem Zeitgeist neue Werkstätten schaffen, diese aber so einrichten und überwachen, daß er die Grenzlinie nicht zu überspringen ver mochte. Unter den Wechselfällen und Prinzipienkämpfen der letzten Jahrzehnte hatte man die Ueberzeugung gewonnen, daß ein patriarchalisch-monarchisches Fürstenregiment, wie es vor der Revolution bestanden, nicht wieder eingeführt werden könne, daß die Menschheit des neunzehnten Jahrhunderts eine Bethei ligung der Völker an der Lenkung der Staaten und eine auf unwandelbaren Grundgesetzen ruhende Verfassung verlange. Hatte doch selbst Napoleon bei seiner Rückkunft von Elba diese Richtung des Zeitgeistes anerkannt und der selben, so viel es seine autokratischc Natur zuließ, in der Zusatzakte zur Reichs verfassung gerecht zu werden gesucht. Sollten nun jetzt, da die Völker in dem gewaltigen Kampfe gegen die Bonapartische Militärdespotie ihre Mündigkeit in so glänzender Weise bethätigt hatten, die verbündeten Regierungen den Forde rungen der öffentlichen Meinung unbedingten Widerstand entgegensetzen? Da durch hätte man die Keime zu neuen Unruhen und inneren Kämpfen in die Erde gesenkt und den Ruf: „Friede auf Erden", der so mächtig durch die Ge- müther zog, unerhört gelassen. So gab man denn mehr und mehr dem Grundsatz Raum, daß in den Staalen Westeuropa's die auf Englands Boden erwachsene gemischte Staatsordnung oder constitutionelle Monarchie, die auf einer weisen Vereinigung der Fürsten- und Volksrechte beruhe, diejenige Rcgierungsform sei, die dem Zcitgcistc und den Volkswünschen am meisten entspreche; denn sie wahre die Würde und das Ansehen des Königthnms, sichere dem Volke die ihm gebührenden Rechte, Steuerbewilligung, Mitaufsicht über die Verwen dung der Staatseinkünfte und Thcilnahme an der Gesetzgebung und gebe durch eine gesetzlich geordnete Freiheit der Presse Gelegenheit zur Entwickelung und Ausbildung des Staatslebcns und zur Abstellung von Mißbräuchen, Ungerech tigkeiten und unzeitgemäßen Einrichtungen. Nur sollte nicht, wie in dem britischen Jnselreiche das parlamentarische Regiment die monarchische Autorität in Schatten stellen, nicht die Fürstengewalt „von Gottes Gnaden" durch consti- tutionelle Rechte und Verträge allzusehr abgcschwücht werden. Darum wurde in den continentalen Staaten, wo inan dem constitutionellen System Einlaß gewährte, in den Verfassungsurkunden das monarchische Prinzip schärfer be tont, der Verantwortlichkeit der Minister das geheiligte Recht des unverant wortlichen Staatsoberhauptes zur Seite gestellt. So wurde das Repräsen-