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IV. Umsturz und Neubau. 557 Die Leidenschaft und Rachsucht beschränkte sich jedoch nicht auf die von wilden S,r«s-,»ichl- Trieben aufgestachelte Volksmasse; der Schrecken und die Verfolgung wurden plan-8^7'" mäßig von Oben her betrieben. Die Proklamation von Cambray hatte von der Amnestie nur die Anstifter und Urheber der großen Zerrüttung ausgenommen. Man glaubte oder wollte glauben, die Katastrophe, welche die Bourbonen abermals in die Fremde gejagt, sei die Wirkung einer Bonapartistischeu Verschwörung gewesen. Nachdem mm die zweite Restauration vollendet war, sollten die Hauptschuldigen einem strengen Strafgerichte überantwortet werden, um „eine Lehre der Moral" aufzustellen. Selbst hervorragende Häupter aus den Kreisen der Verbündeten, insbesondere Pozzo di Borgo, „der Korse von rachsüchtiger und unversöhnlicher Naturanlage", gaben diesen Rath. Demgemäß erhielt der Polizeiminister Fouche den Auftrag, eine Liste der „großen Verbrecher" aufzustellen. Der alte Jaco- biner, dem es im Bewußtsein seiner schuldbefleckten Vergangenheit um seine eigene Sicherheit bange sein mochte, wenn unter der Acgide des Grafen von Artois und der Herzogin von Angonlcme die royalistische Reactionswuth immer weiter um sich griff, suchte das peinliche Geschäft zu Hintertreiben, indem er dem König rieth, die öffentliche Meinung zu gewinnen „durch Milde, Beruhigung und Sicherheit". Aber die reaktionäre Strömung des Tages war nicht mehr aufzuhalten. So verfaßte er denn jene berüchtigte Proscriptionsliste, in Folge deren eine Anzahl von Männern, die bisher die Geschicke Frankreichs und seiner Heere gelenkt, theils ihrer Aemter beraubt, theils in die Verbannung gestoßen, theils zum Tode verurtheilt wurden. Doch dabei war Fouche zugleich bemüht, die Bedrohten durch rechtzeitige Warnungen der royalistischen Verfolgungswnth zu entziehen. Auch dem Oberst Labedoyere, der in Grenoble die Garnison dem Kaiser Napoleon zuführte, hatte der Polizeiminister den Weg zur Flucht eröffnet. Als der Oberst aber nach Paris zurückkehrte, um seiner Gattin Lebewohl zu sagen, wurde er erkannt und verhaftet. Das Kriegsgericht verurtheilte ihn zum Tode. Keine Fürbitte vermochte den König zur Milderung zu bewegen. Labedoyere wurde erschossen. Auch Lavalette, der als Dircctor der Posten für Napoleou's Wiedereinsetzung gewirkt hatte, war als angebliches Haupt der «-'»-,1-«-. „Civilconspiration" von den royalistischen Ultras zur Hinrichtung ausersehen. Das Schwurgericht des Seinedepartements fand ihn des Hochverraths schuldig und verurtheilte ihn zum Tode. Ein von ihm eingelegtes Cassationsgesuch ver- AN°«bi. zögerte das Werk der Guillotine. Während dieser Spanne Zeit zwischen Leben und Sterben wurde er durch seine treue Gattin Emilie Luise Beauharnais, eine Nichte der Kaiserin Josephine, aus dem Kerker gerettet und nach etlichen Wochen wunderbarer Verborgenheit durch einige englische Offiziere aus Paris entführt. Am Todestage Labedoyere's wurde ein anderes illustrcs Haupt, nach dem die Bourbonistische Rachsucht lechzte, nach der Hauptstadt Frankreichs gebracht, Michel Ney, Fürst von der Moskwa. Talleyrand und Fouche hatten ihmM-mch-m Pässe nach der Schweiz gegeben. Aber er hielt sich im Schlosse Bessoius bei '