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IV. Umsturz und Neubau. 549 der Religion mit der Politik" als das wirksamste Heilmittel der durch die Revolution geschlagenen Wunden im Prophetenton verkündeten, wurde Alexander in eine mystische Gcfühlsatmosphäre gehoben und mit dem Glauben erfüllt, ein Bündniß zwischen Frankreich und Rußland sei die von der Vorsehung angcdeutete Grundlage zur Her stellung eines religiös-sittlichen Staatslebens, einer christlichen Politik. „Die französische Regierung", sagt Bernhardt, „wußte Wege zu finden, um die Stimme Gottes durch den Mund dieser erleuchteten Frauen zu Gunsten Frankreichs sprechen zu lassen — : und diese Stimme ermahnte natürlich zur christlichen Demuth im Siege, zur Großmuth. zur Wahrung der heiligsten Interessen der Menschheit gegen Rachedurst und wilde, unchristliche Leidenschaft". Richelieu, Pozzo di Borgo, Capodistria nährten diese Gefühle und Ansichten. Insbesondere benutzte der letzte, ein Grieche von Geburt, der sich „in den luftigen Regionen der politischen Romantik bewegte" und in den salbungs vollen Ton seines Gebieters cinstimmte, seinen steigenden Einfluß aus Alexander, um ein Bündniß zwischen Rußland und Frankreich zu Stande zu bringen, in welchem er das sicherste Mittel erblickte zur Durchführung seiner Pläne im Orient, auf die sein ganzer Sinn gerichtet war. Aus den Zaren machten diese Gründe um so mehr Eindruck, als er die Pläne des griechischen Staatsmanns theilte. Denn schon damals trug sich Alexander mit dem Gedanken einer Befreiung des christlichen Orients von dem Joche der Türken, ein Gedanke, zu dessen Verwirklichung er eines starken und befreundeten Frankreichs zu be dürfen glaubte. Auch mochte die Bcsorgniß im Hintergrund schweben, Preußen und Deutschland möchten durch einen namhaften Länderzuwachs im Westen so gestärkt wer den, daß sie sich dem Einflüsse Rußlands in Zukunft entziehen, den Schild, den der Zarenhof in Petersburg bisher über sic gehalten, abschütteln könnten. Politische Gründe und Gemüthsaffccte wirkten somit zusammen, um den russischen Kaiser aber mals zum Gönner und Beschützer Frankreichs zu machen, um ihn in dem Glauben zu bestärken, ein französisch-russischer Völkerbund sei das sicherste Mittel, eine neue christ liche Wcltordnung zu begründen, dem Christenthum den Triumph zu bereiten über Islam und Unglauben. Die vornehme Welt von Paris wetteiferte in Huldigungen und Schmeicheleien gegen den Zaren und erging sich in frommen Redensarten, die dem neuen Welthcilande so wohl thaten. So reifte denn mehr und mehr die Idee, daß der neue Friedensvertraa sich D» smdms. möglichst nahe an die Vereinbarungen vom vorigen Jahre anschließen muffe. In einer von Capodistria entworfenen, von Alexander gebilligten Denkschrift " über eine „Combination von moralischen und reellen Garantien", wurde die An sicht begründet, der Zweck des Krieges sei gewesen, Frankreich von der Herrschaft Bonaparte s und des revolutionären Systems zu befreien, die legitime Königs familie auf den Thron zurnckzufnhrcn und sie in Stand zu setzen, im eigenen Lande Ruhe und Ordnung und die Autorität der Gesetze zu erhalten, dem Aus lande gegenüber genügende Bürgschaften des Friedens und der Sicherheit zu leisten. Der erste Theil der Aufgabe sei gelöst; für den zweiten empfehle sich die Einführung einer Staatsform, in welcher das Königthum mit einer National vertretung zur Einheit verbunden und die Interessen, welche fünfundzwanzig Revolutionsjahre geschaffen, gewahrt würden, sowie Sicherstellung der Nachbar länder gegen kriegerische Invasionen. Diese Sicherstellung dürfe jedoch weniger in einer Schmälerung des französischen Gebietes gesucht werden, wodurch vielmehr die Unzufriedenheit des Volkes gegen das Bourbon'sche Regiment und