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IV. Umsturz und Neubau. 545 Hauptstadt als eine Nothwendigkeit erkannt wurde. Die französischen Soldaten bewährten die alte Bravour, aber es waren unfruchtbare Anstrengungen. Frank reichs Geschicke wurden nicht, wie Charras meint, durch den Vcrrath einiger Böswilligen und die Schwache einiger Muthloscn entschieden, sondern durch die feindliche Uebermacht, durch die Ermattung und das Ruhebedürfniß der Nation. Wie laut sich immer der Unwillen des Heeres gegen die Häupter äußern mochte, am folgenden Tag wurde in St. Cloud zwischen Wellington und Blücher einer-s.Zuliisis. seits, dem Seinepräfecten und zwei Bevollmächtigten der französischen Regie rung und Armee anderseits eine „Convention" geschlossen, kraft welcher die fran zösischen Truppen sich hinter die Loire zurückziehen und Paris den verbündeten Heeren übergeben sollten. Sicherheit von Person und Eigenthum, soweit sich dieses nicht auf den Krieg beziehe, wurde gewährleistet und dabei zugesagt, daß Niemand um seiner Amtshandlungen oder politischen Meinungen willen bestraft oder verfolgt werden sollte. Mit Ingrimm und mit dem Ruf: „Nieder mit den Verräthern", vernahmen Soldaten und Volk die Verkündigung, daß sie zum zweitenmal mit gebundenen Händen den fremden Gewalthabern überantwortet seien. Im Innern von Frankreich hörte damit der offene Krieg auf; nur der Bclagerungskrieg vor den Grenzfestungen dauerte noch einige Wochen fort und hier und da machte sich die Erbitterung des Volkes in einzelnen Aufständen gegen die Besatzungstruppen Luft. Nachdem am 7. Juli Blücher und Wellington Paris besetzt hatten, zogUA^j, Ludwig XVIII. und der Hof wieder in die Tuilerien ein. Das Volk verhielt sich still und theilnahmlos. Diese rasche Wendung war das Werk Fouche s. In einer Unterredung mit Ludwig, dein er durch Talleyrand in Wellington's Haupt quartier zu Neuilly vorgestellt worden war (6. Juli), „das Laster gestützt auf das Verbrechen", wie Chateaubriand die Eintretenden bezeichnet, hatte der „Herzog von Otranto" die Möglichkeit dargethan, daß die Regierung und die Kammern sich zu dem Heere hinter die Loire begeben würden, wenn der König nicht durch eine allgemeine Amnestie und durch andere Kundgebungen versöhn licher und verfassungstreuer Gesinnung die Gemüther beruhige, und die Schwie rigkeiten hervorgehoben, die dann die Herstellung des Bourbon'schen Königs thrones haben könnte; denn im Rathe der Monarchen und Diplomaten herrschten verschiedene Ansichten und Tendenzen über die staatliche Zukunft Frankreichs. Hatte doch Metternich die bedenkliche Aeußerung gethan, man werde Lud wig XVIII. jedenfalls erst nach geschlossenem Frieden wieder in den Besitz seines Thrones gelangen lassen, und Lafayette, der am 5. Juli mit seinen College» von Hagenau zurückgekehrt war, hatte den Eindruck empfangen und offen ausge sprochen, daß die Souveräne die Absicht hätten, Frankreich keine bestimmte Re gierungsform aufzudrängen, sondern ihm die freie Wahl zu lassen. König Ludwig erkannte die Richtigkeit von Fouche s Vorstellungen und wünschte durch eine rasche entscheidende Thatsache allen Eventualitäten und schwankenden Situa- Wrbkr. Wtttgeschichte. XIV. ZH