Volltext Seite (XML)
IV. Umsturz und Neubau. 535 und in der zweiten Schlacht, welche drittehalb Stunden westlich davon zu der selben Zeit bei Quatrebras geliefert ward, widerstand Marschall Ney dem ans Engländern, Niederländern, Nassauern, Hannoveranern und Braun schweigern zusammengesetzten Heere Wcllington's mit Erfolg und bewährte den alten Kriegsmuth, wenn auch nicht mehr die alte Entschlossenheit und Siegeszu versicht. Die Verluste waren auf beide» Seiten ziemlich gleich. Todte und Verwundete in blauein und rothcm Kleide lagen über den grünen Grund zer streut „wie ein Schmuck, den sich der Tod erwählt hat". Bei Ligny kam Blücher durch den Sturz seines verwundeten Pferdes in die größte Gefahr, aus der ihn nur der standhafte Mnth seines Adjutanten Nostitz rettete. Bei Quatrebras fand der ritterliche Herzog Wilhelm von Braunschweig (S. 350) den Tod. Von einem glänzenden Ballfeste aus Brüssel hcrbeieilend fiel er durch eine feindliche Kugel und hauchte in einer ärmlichen Hütte seine Heldcnseele aus. Die Wunde in der Brust schleppte sich der englische General Picton an der Spitze seiner Truppen vom Schlachtfelde weg, um zwei Tage später bei Waterloo einen Sol- datcntod zu finden. I» früheren Jahren hatte Napoleon jede siegreiche Wendung des Kriegs- D» 17. Juni, glücks, jede vorthcilhafte Lage zu rascher Ausnutzung des Eindrucks verwcrthet und gerade dadurch den Glauben an seine Unüberwindlichkeit erzeugt. Diese Ent schlossenheit und Genialität war nicht mehr zu bemerken. Mit dem Glücke schien auch die alte Spannkraft und die Gabe der raschen Erfindung gewichen zu sein. Er verlor den Morgen mit einer Truppenschau auf dem Schlachtfelde und ent sandte den Marschall Grouchy mit 33,000 Mann zur Verfolgung der Preußen, die er auf dem Rückzug nach der Maas wähnte. Es schien ihm undenkbar, daß ein geschlagenes Heer sich sogleich nach der Schlacht wieder ordnen und zu einem neuen Angriff rüsten könnte, wie es durch Gneisenau geschah, der nach Blüchers Unfall den Oberbefehl übernommen. Wohl hemmten grundlose Wege und strö mender Regen die Schnelligkeit der Bewegungen; allein dieselben Nachtheile trafen auch die Feinde, und dennoch wurde in Wavre, wo sich um den leidenden Feldmarschall die Generale Gneisenau, Grolmann, Bülow, Zielen, Thielmann u. a. zum Kricgsrarh versammelten, der Beschluß gefaßt, am nächsten Tag die n.sum. Schlacht zu erneuern; dem englischen Oberbefehlshaber, der seine Truppen um Brüssel zusammengezogcn hatte, wurde der Entschluß mitgetheilt und ein Zu sammenwirken beider Heere verabredet. So kam es denn zu der großen Entscheidungsschlacht des 18. Juni. Auch an diesem Tage schwankte lange der Sieg. Die furchtbare Jnfantericmasse, wo- mit General Erlon einen gewaltigen Stoß auf Wellingtons gemischte Heersäulen unrcrnahm, und der mächtige Eavallcricangriff des Marschalls Ney wirkten erschütternd auf die feindlichen Reihen. Erst als die Preußen, allen Beschwerden und Gefahren kühn die Stirne bietend, gegen Abend im rechten Momente dem bedrängten Heere Wellingtons, das mit heroischer Ausdauer bis zur Erschöpfung