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526 Europa unter Bonapartischein Einfluß. Als der Imperator die Fehlgriffe der Bourbons erkannte, als er vernahm, daß man den Emigranten ihre Güter zurückgeben wollte, „weil sie auf der geraden Bahn gewandelt", als er von Fouche, Dnvoust, Carnot, Maret, der Herzogin von St. Leu und andern seiner Anhänger, die mit ihm in ununterbrochenem Verkehr standen, über die Stimmung des Volks unterrichtet wurde, da beschloß er abermals seinem Glücksstern zu vertrauen. Man hatte die Verträge nicht eingehalten; in Wien fand man in den hohen Diplomatenkreise», daß man thöricht gehandelt habe, den unternehmenden Mann in die Nähe zweier aufge regten Länder mit souveräner Freiheit zu versetzen, und überlegte, ob cs nicht zweckmäßig und rathsam sei, ihn nach einem ferneren Orte zu verweisen, wobei inan jetzt schon St. Helena nannte. Napoleon war von Allem unterrichtet. Auf dem Wiener Congreß war eine tiefe Spaltung eingeriffen; in Paris wiegten sich Royalisten und Hof in der Sicherheit ihrer Triumphe; in Frankreich und Italien war Gährung und Unzufriedenheit. Gründe genug für den ehrsüchtigen Mann, abermals die Napoleonische Fahne aufzupflanzen, noch einmal einen kühnen Entschluß auszuführen, wie vor fünfzehn Jahren, als er seine Rückkehr aus Aegypten ins Werk setzte. Mit neunhundert Mann seiner Getreuen landete i8iL ^ bei Cannes, durch mehrere klug berechnete und rasch verbreitete Proclamatio- nen, in denen er dem Volke de» Fortbesitz seines Eigenthums und aller durch die Revolution erworbenen Vortheile, dem Soldaten Kriegsruhm und die Tricolore, dem gebildeten Bürgerstande eine den Forderungen der Zeit angemessene Ver fassung und Regiernngsweise verhieß, gewann er sich schnell Aller Herzen. N-iri-l-on,n Pomphaft verkündete Napoleon nach seiner Landung, „daß sein Adler von B > zu Thurm bis Notre Dame fliegen werde", und diese vermessene Weis sagung erfüllte er in einem Triumphzuge, „in welchem sich ihm das Heer und das Landvolk wie in einem Rausche der Erlösung an die Fersen hing". Ueberall prangte wieder die dreifarbige Cocarde; die zu seiner Bekämpfung ausgeschickten Truppen gingen schaarenwcisc zu ihm über; die Bürger von Grenoble schlugen 7-Mär, hjx Thore ein, als er in ihre Nähe kam, und der Obrist Labedoyere, ein junger heißblütiger Enthusiast, führte ihm die Besatzung zu. Die kühne That Nnpo- leon's „versöhnte mit ihrem Zauber damals selbst viele Feinde, riß die Rohesten hin und erfüllte Einzelne und Massen mit jenem Taumel der Begeisterung, der die Menschen jedesmal erfaßt, wenn sie durch ein glänzendes Ereigniß aus der Hinzehrung über beschämenden Zuständen aufgerüttelt werden". Umsonst eilte Artois, begleitet von Orleans und Macdonald, nach Lyon und suchte durch Vertraulichkeit die Soldaten zu gewinnen. Der Ruf: „es lebe der Kaiser!" schallte ihm entgegen. Ebenso erfolglos waren die Bemühungen Angoulemc's und seiner Gemahlin im Süden, in Languedoc, Bordeaux u. a. O. Und als auch Ney, der sich vermessen hatte, den Usurpator gefesselt nach Paris zu brin- is. Mär,. !M, zu dem früheren Waffcngenossen überging, als sich Soult, Massen«, Auge- reau u. A., die sich vorher so eifrig an die neuen Herren herangedrängt hatten.