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IV. Umsturz und Neubau. 525 war: Erhaltung der äußern und inner« Sicherheit Deutschlands, sowie der Un abhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten, einigermaßen erreicht wurde, so kam es nur von der Erschöpfung und Ruhebedürftigkeit Europas her, welche für längere Zeit äußere Verwicklungen verhütete. Andern falls hätte sich der Grundsatz, daß Deutschland dem Auslande gegenüber eine Gesaluintinacht sei, ebenso sehr als traurige Fiction erwiesen, wie die Meinung, der Bund könne sich in einer Weise entwickeln, die den nationalen Anforderun gen, den wirthschaftlichen und geistigen Interessen des deutschen Volkes auch nur in bescheidenem Maße entspräche. In : dem Urtheil über die deutsche Bundes verfassung ist die öffentliche Meinung, die Geschichtschreibung und Publicistik von Anfang an einig gewesen, und es lautete ziemlich übereinstimmend so, wie es H. v. Treitschke in seiner deutschen Geschichte in den folgenden Worten zusam menfaßt: „Die Bundesacte ist die unwürdigste Verfassung, welche je einem großen Cultur- volke von eingeborenen Herrschern aufcrlcgt ward, ein Werk, in mancher Hinsicht noch kläglicher als das Gebäude des alten Reichs in den Jahrhunderten des Niedergangs. Ihr fehlte jene Majestät der historischen Größe, die das Reich der Ottonen noch im Verfalle umschwebte. Blank und neu stieg dies politische Gebilde aus der Grube, das Werk einer kurzlebigen, in sich selbst verliebten Diplomatie, die aller Erinnerungen des eigenen Volkes vergessen hatte; kein Rost der Jahrhunderte verhüllte die dürftige Häß lichkeit der Formen. Bon Kaiser und Reich sang und sagte das Volk, bei dem Namen des deutschen Bundes hat niemals ein deutsches Herz höher geschlagen. Das alte Reichsrccht sprach doch noch von einer deutschen Nation; die Vorstellung mindestens, daß alle Deutschen ihrem Kaiser treu, hold und gewärtig seien, war niemals ganz verschwunden. Die neue Bundesacte wußte gar nichts mehr von einem deutschen Volke; sie kannte nur Baicrn, Waldeckcr, Schwarzburg-Sondcrshauscner, Uutcrthancn jener deutschen Fürsten, welche nach Gefallen zu einem völkerrechtlichen Vereine zusam mengetreten waren. — Die Nation nahm das traurige Werk mit unheimlicher Külte auf. Wer überhaupt davon redete, sprach seine grimmige Entrüstung aus. Die we nigen Artikel über Volksrechte, an denen der öffentlichen Meinung zumeist gelegen war, enthielten so leere, so windige Versprechungen, daß sogar diese gutherzige Nation an fangen mußte an den bösen Willen ihrer Machthaber zu glauben. Wie sonderbar nahm sich neben den unbestimmten Phrasen über Preßfreiheit. Handelsfreiheit, Land stände die genaue Aufzählung der Privilegien der Mediatisirtcn und der Thurn- und Tauschen Postrechte aus! Und zu alledem das Kläglichste: Die Bundcsacte war gar keine Verfassung, sondern enthielt nur die niemals ausgeführten Grundzüge eines künf tigen Bundcsrcchts". 3. Napoleon's Wiederkunft. Das restaurirte Italien und Murat's Schilderhebung. In die Staatsactionen und Diploinatenkünste, welche in Wien abgespielt Bon En- wurden, flog die Kunde von Napoleon's Landung an der Südküste Frankreichs" ^ wie eine feurige Bombe und setzte alle Gemüthcr in leidcuschaflliche Bewegung