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IV. Umsturz und Neubau. 523 Rechte, als an Wirksamkeit der Centralgewalt weit hinter den preußischen Vorschlägen zurückblieb. Die Scheidung zwischen einer gesetzgebenden Bundesversammlung und einer engeren executiven Behörde wurde gestrichen; die Competcnz der Bundesver sammlung war ganz ins Ungewisse gestellt; die Einführung landstäudischer Verfas sungen wurde nur ganz flüchtig erwähnt; die persönlichen Freihcitsrcchte der Unter- thanen waren wesentlich eingeschränkt, die Rechte der Mediatisirten dagegen aufs weitläufigste behandelt. Das Bundesgericht war abgcschwächt, der Artikel über das Vertragsrccht mit Auswärtigen näherte sich immer mehr dem particularistischen Stand punkt ; nur gegen den Bund und seine Mitglieder sollten sich deutsche Staaten nicht mit auswärtigen verbinden. Diesen höchst ungenügenden Entwurf unterbreitete Met ternich den preußischen Bevollmächtigten und dem Grafen Münster, und der Widerstand der letzteren war durchaus nicht nachhaltig genug. Die Verschmelzung des preußischen und des österreichischen Entwurfs fiel ganz zu Gunsten des letzteren aus. Nur wurde jetzt wieder eine Scheidung in einen engeren Rath der Bundesversammlung von fünf zehn Stimmen und in das gesetzgebende Bundesplcnum vorgenommen. lieber die Dürftigkeit der allgemeinen Grundzüge tröstete man sich mit der Bestimmung, daß das erste Geschäft der Bundesversammlung die Abfassung der Grundgesetze und die orga nische Einrichtung des Bundes sein solle. Aus Grund dieses Entwurfs berieth nun die allgemeine Conserenz der deutschen Mch>uß des Bevollmächtigten und brachte selbst an einem so dürftigen Werke noch einige Abschwä-23. Mai bi» chungen an. Baiern ließ noch bis in die letzte Stunde seinen Beitritt zweifelhaft; denn von dem Grundsatz, daß kraft der Allianzverträge die ehemaligen Rheinbundstaaten verpflichtet seien, sich den gemeinsamen Ordnungen zu fügen, war man längst zurück- gekommen. Statt dessen machten eine Reihe von Staaten ihren Beitritt von dem Vorbehalt abhängig, daß der Bund ganz Deutschland umfasse, und stellten damit das Gelingen einer Bundesverfassung in das Belieben einiger übelwollenden Genossen. Bei Thorcsschluß war es noch einmal in Frage gestellt, ob überhaupt ein Bund zu Stande kommen werde. Der bairische Gesandte, Graf Rechberg, trat noch einmal mit neuen Forderungen auf: er verlangte, daß das Bundesgericht „der Schlußstein des deutschen Rechtsgebäudes" und der Artikel, der eine gemeinsame Verfassung für die katholische Kirche Deutschlands verhieß, gestrichen würden. Und auch das wurde, um nur über haupt etwas zu Stande zu bringen, zugestanden. Anstatt einer nationalen Neuge staltung der katholischen Kirchenverhältnisse wurde nur der vage Satz ausgestellt, daß die Verschiedenheit der christlichen Religionspartcien keinen Unterschied im Genüsse der bürgerlichen und politischen Rechte begründen könne. Ferner wurde die Verpflichtung, daß in jedem Bundesstaat eine landständische Verfassung stattfindcn „soll", in die mil dere Fassung, eine solche „wird" stattfiuden, gekleidet, ein zu nichts verbindender und darum sehr verhängnißvoller Ausdruck. Und endlich wurde die jede Fortentwickelung des Bundes hemmende Bestimmung durchgcsetzt, daß, wo es auf Annahme oder Ab änderung der Grundgesetze, und auf organische Bundeseinrichtungen, auf Rechte Ein zelner und Religionsangelegenheiten ankomme, kein Beschluß durch Mehrheit gefaßt werden könne. Dies „liberum Veto", welches die Bundesverfassung tödtlichcr Erstarrung preisgcben mußte, war das erste Lebenszeichen des wiedcrhergestellten Königreichs Sach sen. Aus den 1. September 1815 wurde die erste Bundesversammlung unter Oesterreichs Vorsitz angeordnet. Am 8. Juni kam die Bundcsactc zum Abschluß und b. 2»i>>. wurde als Bestandtheil der Wiener Congreßacte unter den Schutz der europäischen Mächte gestellt. „So mar denn das Gewebe deutscher verfaffungbildendcr Staatskunst bis auf den ersten Faden aufgetrennt, nämlich bis auf jenen, den Stein cinwob, als er die deutsche Sache dem Einfluß des Auslandes zu entheben wußte." Würtemberg