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IV. Umsturz und Neubau. 521 und Freiheit. Die süddeutschen „Mächte" wollten weder das Kriegs-, Friedens- und Bündnißrccht mit dem Ausland fahren lassen, an dem, wie Wrede erklärte, der „bairische Nationalst»!;" Gefallen trage, noch wollten sie von der Aufnahme vonBolks- rechten in die Verfassung oder vom Bundesgericht wissen. Gegen jede Schmälerung ihrer Souveränität erhoben sic unüberwindlichen Widerspruch; nur der Kreisverfassung, die den fünf königlichen Fürsten als Kreisobersten die militärische Führung in ihren Kreisen überantwortet hätte und damit der deutschen „Pentarchie" ein Mittel zur Unter drückung der kleineren Staaten abgeben konnte, zeigten sie sich geneigt, freilich sollten den Großmächten nicht je zwei, sondern nur eine Stimme im Kreisoberstenrath zufallen. Nicht nur die preußischen Staatsmänner erschöpften ihre Kraft in dem Kampf gegen die störrischen Souveränctäten des Rheinbunds, selbst Metternich sprach für ein Mini mum landständischer Rechte, sowie für ein gewisses Gesammtauftrcten nach Außen, und der hannöversche Bevollmächtigte, Graf Münster, erwarb sich durch eine energische Erklärung, worin er das rheinbündische Staatsrecht des „Sultanismus" zurechtwies und die landständischen Freiheiten dem Despotismus entgegcnhielt, einen ziemlich wohl feilen Ruhm als Freiheitsfreund. Stein rief selbst die Verwendung des russischen Autokraten für das bescheidene Maß deutscher Einheit und Freiheit an. Alexander ent sprach dieser Aufforderung, allein auch das hatte keinen Erfolg und es war beschämend genug, daß die Verhältnisse immer wieder dazu führten, den Zaren als Retter und Wohlthäter des befreiten Deutschland erscheinen zu lassen. Die Verhandlungen des Fünferausschusses kanien immer mehr ins Stocken; Würtemberg erklärte endlich förm lich feinen Austritt und resultatlos ging die „deutsche Pentarchie" auseinander. Die A^U'vbr. polnisch-sächsische Frage war auch auf die Ordnung der deutschen Bundesverhältnisse von störendem Einfluß, indem sie die Eintracht der beiden Großmächte fortwährend durchbrach und die Stimmung verbitterte. Der Anstoß, die deutsche Verfassungsfragc wieder in Fluß zu bringen, ging von 3>u»vm«on einer Seite aus, von der man sie nicht erwartete: von den Kleinstaaten. Schon längst an und'di"' hatten diese es als Unrecht und Schädigung empfunden, daß die Vereinbarung der^"b»g«- Verfassung nur den Königreichen zustehen solle, daß nach den vorliegenden Entwürfen der „Pentarchie" durch das Institut der Kreisobersten ein unbilliger, die kleineren Herr schaften gefährdender Vorzug im künftigen Bund in Aussicht gestellt, daß die föderative Ordnung durch das Bordrängen der Königreiche beeinträchtigt war. Zn den Kreisen der „Kleinen" wirkten Diplomaten wie der naffauisch-niederländische Freiherr von Gagcrn und der meimarsche Minister von Gersdorff; aber auch Stein erkannte in diesen Bestre bungen eine wirksame Handhabe gegen die Schlaffheit der Großmächte wie gegen den Übeln Willen der Mittelstaatcn und wirkte durch Capodistria, damals den einflußreichsten Rathgcbcr des Zaren, auf Kaiser Alexander zu Gunsten seiner deutschen Pläne. Die Denkschrift, die Capodistria zu Anfang des Jahres 1815 über die deutsche Frage ver öffentlichte, entwickelte die Vortheilc, welche durch die Wiedcrannahme der Kaiscrwürde von Seiten Oesterreichs für dieses selbst, wie für Deutschland erwüchsen, in einer Weise, die von der scharfen Auffassung der Verhältnisse durch den griechischen Staats mann zeugte. Der Wunsch, die angemaßte Fünfhcrrschaft zu brechen, die Eifersucht gegen die Größeren, führte diese gemischte Gesellschaft zusammen; allein cs zeigte sich doch dabei wieder, daß die „Kleinen" ein weit geringeres Hinderniß für eine nationale Verfassung sind als der schroffe Particularismus der Mittelstaaten. Im Bewußtsein ihrer Ohnmacht wünschten Viele ernstlich eine starke Reichsgewalt und waren zu patrio tischen Opfern bereit. Neunundzwanzig souveräne Fürsten und freie Städte, an ihrer Spitze die zwei Hessen und Mecklenburg, übergaben den beiden Großmächten eine Note, w.Novbr. worin sie ihr Recht, an der Vereinbarung der Bundesverfassung theilzunehmcn, hervor-