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IV. Umsturz und Neubau. 505 Gentz lXIII, 718) zur Seite. England war durch Lord Castlereagh, einen Mann von sehr mäßigen Kenntnissen und Geisteskräften, sowie durch seine Gesandten am preußischen, niederländischen und russischen Hof, die Lords Stewart, Clancarty und Cathcart vertreten; erst gegen Ende des Con- gresses traf Wellington ein. Als Geschäftsführer Rußlands erschienen Nes selrode, Rasumowski. Stackelberg, der Graf Capodistria, der bereits für seine philhellenischen Pläne warb, der Pole Czartoryski. Der Wortführer der Bourbonen in Frankreich war Taliehrand, der in den Zeiten der Revolution und des Kaiserreiches seine hocharistokratische Herkunft und Ge sinnung ebenso unbedenklich verleugnet hatte, wie er jetzt als Vertheidigcr der Legitimität seine revolutionäre Vergangenheit von sich warf, ein Staatsmann von absoluter Grundsatzlosigkeit, aber an Gewandtheit, Schlauheit und Ränke sucht Allen überlegen und darum bald die einflußreichste Persönlichkeit des Con- gresses, auf dem er anfangs fast nur wie ein geduldeter Bittsteller erschienen war. Ihm stand der deutsche Renegat Herzog Dalberg zur Seite, der Neffe des Großherzogs von Frankfurt und Sohn des aus Schillers Geschichte bekannten Mannheimer Thcnterintendanten, der letzte abtrünnige Sprosse dieses rheinischen Rittergcschlechts, der selbst in jener charakterlosen Welt allgemein verachtet wurde. Stein ließ ihm einmal sagen, als französischen Gesandten werde er chn empfangen, als Herrn von Dalberg werde er ihn die Treppe hinabwcrfen lassen. Preußen war vertreten durch den Staatskanzler Fürst Hardenberg, der es an Festigkeit und Energie nicht selten fehlen ließ, und Wilhelm von Hum boldt, dessen ernste Persönlichkeit in jener Salonwelt nicht recht zur Geltung kam. Unter den Staatsmännern der kleineren deutschen Länder traten besonders hervor: der Feldmarschall Wrede, der in säbelrasselndem Poltern die Groß- niachtstellnng Baierns und den partikularistischen Haß gegen eine nationale Re form zum Ausdruck brachte; der hannoversche Graf Münster, der sein starres Welfenthum, seine Vorliebe für sein heimatliches Jnnkerregiment und seine Preußenangst mit reichspatriotischen und liberalen Phrasen zu decorircn liebte, und von einem großen welfisch - holländischen Reich träumte, das sich von der Schelde bis zur Elbe als Gegengewicht gegen Preußen erstrecken sollte; der viel- geschästigc, bewegliche nassauisch-holländische Staatsmann Hans von Gagern, der seit langen Jahren sich zum Vorkämpfer des deutschen Klcinfürstciithums beru fen glaubte und damit jetzt eine wunderliche Schwärmerei für den deutschen Beruf der Niederlande verband, trotz aller Schrullen und Phantastereien ein Mann von patriotischer und liberaler Gesinnung, wenn er auch damals oft über dem „Batavisiren" das „Gcrmanisiren" vergaß, wie ihm Stein vorwarf, der Verfasser anziehender und vielbenutzter Denkwürdigkeiten, die als „Mein Anthcil an der Politik" erschienen. Würtemberg vertrat der Graf Wintzingerode, Sachsen der Graf v. d. Schulenburg. Stein hatte keine officielle Stellung am Eongreß, übte aber durch sein persönliches Ansehen, durch Alexanders Gunst