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IV. Umsturz und Neubau. 485 lungen hervor, die um dieselbe Zeit im gesetzgebenden Körper stattfanden. Als der Kaiser selbst mit einer Prunkrede die Versammlung eröffnete, worin er ver sicherte, daß er zuin Frieden geneigt sei und darum einen Kongreß in Mann heim vorgeschlagen habe, zugleich aber energisch betonte, daß er nie den Ruhm und die Ehre des Reiches preisgeben werde und auf die Opferwilligkcit der Na tion rechne, gab sich in dem von Lame erstatteten Berichte der Commission über die auswärtige Politik und in der denselben begleitenden Adresse ein so scharfer Ton der Opposition kund, wurde so schneidend die Nothwendigkeit einer Aende- rung des bisherigen Systcmes dargelcgt, wurden so nachdrücklich die verderblichen Folgen der autokratischen Rcgierungsweise hervorgehobcn, daß die Regierung die Sitzungen vertagte. Und als am Neujahrstage eine Deputation des Senats und AD«»,, der Gesetzgebung sich zur Beglückwünschung in den Tuilerien einfand, richtete Na poleon eine Strafrede an sie, welche von dem ganzen Stolz und Selbstgefühl seiner Seele Zeugniß gab und von dem festen Entschluß, allen Widerwärtigkeiten kühn die Stirn zu bieten. Ist es eine patriotische That, fuhr er sie in zorniger Erre gung an, in einem Augenblick, da 200,000 Kosaken unsere Grenze überschreiten, von Garantien der bürgerlichen Freiheit zu reden? Seine Mcnschenverachtung konnte nur gesteigert werden durch die Wahrnehmung, daß dieselbe Corporation, die sich in den Tagen seiner Macht Alles hatte bieten lasten, nun, da er im Unglück war, sich zu harten Anklagen über die Bedrückung und die Kriegsnoth des Landes crmuthigt fühlte und dein auswärtigen Feind die klaffende Wunde im Innern zeigte. Und wirklich waren zu derselben Zeit die feindlichen Heere bereits in Bewegung. Napoleon hatte nicht geglaubt, daß man einen Winter feldzug unternehmen würde. Im Frühjahr aber hoffte er im Stande zu sein, den Verbündeten mit frischen Streitkräften entgegenzutreten. Es sollte jedoch anders kommen. In der Neujahrsnacht setzte.Blücher zwischen Mannheim und Coblenz anI»». ,8>«. verschiedenen Orten mit seiner schlesischen Armee über den deutschen Strom, indeß Schwarzenberg mit der Hauptarmee durch die Schweiz, der man die ge- forderte Neutralität nicht zugestanden, dem südöstlichen Frankreich zuzog in der Absicht, das Plateau von Langres zu gewinnen, und ein zweites preußisches Heer unter Bülow nach dem Niederrhein vorrückte, um Holland zu befreien und die Rückkehr des Erbstatthalters zu bewirken. Die Pyrenäen wurden von den Engländern überschritten, das Königreich Italien von Oesterreich und von dem mit Napoleon entzweiten Murat bedroht. Wie sollte Napoleon, dem um diese Zeit nur eine schlagfertige Armee von 150,000 Mann zu Gebote stand, diese überlegenen Heeresmasten abwehren können? Bernadotte, der sich als Vermittler zwischen Frankreich und Europa zudrängte, suchte sich durch Scho nung die Gunst seiner Landsleute zu gewinnen, um vielleicht durch dieselben Mittel, die ihm die Krone von Schweden verschafft, sich den Weg zum französi schen Thron zu bahnen, zog sich aber durch dieses zweideutige Verhalten das