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482 Europa unter Bonaparnschem Einfluß. Westfalen war nun endgültig aufgelöst; der Kurfürst von Hessen, die Herzoge von Braunschweig und Oldenburg kehrten in ihre Staaten zurück; in Hannover wurde die Herrschaft der englischen Dynastie wiederhergestellt. Das Großhcrzog- thum Berg, das Napoleon bei Murats Uebersiedelung nach Neapel an seinen Neffen Ludwig, den unmündigen Sohn des Königs von Holland übertragen, wurde als herrenloses Gebiet eingezogen. Ristaura. Allein die Begeisterung, mit der das Volk die vertriebenen angestammten Fürsten begrüßte, wurde schlecht belohnt. Die legitimen Herren hatten meist kein dringenderes Anliegen als die vollständige Herstellung der „guten alten Zeit", die Aufhebung der Neuerungen. auch wohlthätiger Refornien aus der Fremd herrschaft. die Zurückführung der Adelsprivilegien, der Beamtenwillkür, der schlechten Justiz, der ganzen feudalen Mißwirthschaft. Die Lehren der jüngsten Geschichte waren an diesen Fürstengeschlechtern spurlos vorübergegangen. Nir gends hauste die Restaurationspolitik unwürdiger und thörichter als in Kur- hessen, wo der kleinliche, tyrannische, geizige Kurfürst Wilhelm I. alle Schö pfungen und Einrichtungen der westfälischen Zeit aufhob, außer wenn sie sich zu schlechten fiskalischen Künsten gebrauchen ließen, im Militär-, Gerichts-, Steuer-, Verwaltungswesen die alten Mißbräuche und feudalen Privilegien herstcllte, die Veräußerungen von Domänen einfach cassirte, alle während der Fremdherrschaft verliehenen Titel, Amtsbeförderungen. Anstellungen widerrief, den Code Napo- , leon abschaffte, die Gegenrevolution bis zu Lächerlichkeiten, wie der Wiederein führung von Zopf und Puder steigerte und den Grund zu jener Regierungsweise legte, die seitdem Kurhessen zum hervorragendsten Repräsentanten unwürdiger und rechtloser Kleinstaatswirthschast gemacht hat. So trieben die Geschicke Deutschlands nicht der Reform, sondern der Reaction entgegen ; Zufall, Jn- trigue und Unsicherheit herrschten allenthalben an Stelle eines festen leitenden Willens. Dst C-ntt^- Stein, der allein wußte was Noth that und kleinliche Rücksichten nicht kannte, vermochte mit seinen Rathschlägen nicht ducchzudcingen. „Ich habe nur ein Vaterland", schrieb er einmal an den Grafen Münster, „das heißt Deutsch land; ich bin nur ihm und nicht einem Theil desselben von Herzen ergeben. Mir sind die Dynastien in diesem Augenblick großer Entwickelung vollkommen gleichgültig, es sind blos Werkzeuge". Allein die Männer, von denen die Ent scheidung über die Geschicke Deutschlands ausging, dachten weit enger und kleiner. An der „Centralverwaltung für Deutschland", die unter * Stein's Leitung bei Beginn des Krieges eingesetzt worden (S. 432), konnte man schon sehen, welche Schwierigkeiten sich einer durchgreifenden und ersprieß lichen Organisation der deutschen Verhältnisse in den Weg stellten. Die Auf gabe dieses Verwaltungsraths war: „den Unterhalt der verbündeten Truppen anzuschaffen, durch Lieferungen und Geldzahlungen aus den verwalteten Län dern zu den Kriegskosten beizutragen, alle militärischen Hülssquellen derselben