Volltext Seite (XML)
478 Der Rückzug der Franzosen. 21. Octbr. 1813. Schlacht 30. 31.Octbr^ 1813. ^ Europa unter Bonapartischem Einfluß. an der Arbeit und lange dauerte es nicht, bis sich in die Feier der großen Frei heitsschlacht jener grollend wehmüthige Ton einschlich, der in Uhland's Gedicht zum 18. October 1816 so ergreifend nachklingt, bis die Geisterstimme des ge fallenen Sängers und Helden die Völker fragen konnte: „Das Herrlichste, was ihr erstritten, wie kommts, daß es nicht frommen mag?" 10. Der Zug zum Rhein und die Befreiung Deutschlands. Hätten die Verbündeten die Verfolgung energischer betrieben oder gar die Straße nach Weißenfels und Erfurt gesperrt, so hätte der größte Theil des zer rütteten französischen Heeres in vollständige Auflösung oder in Gefangenschaft gerathen müssen. Allein Mangel an Einigkeit, Umsicht und Entschlossenheit im Hauptquartier verhinderte eine kräftige Ausnutzung des großen Sieges, und Fürst Schwarzenberg hat durch seine Lässigkeit viel Tadel auf sich gezogen. Die Flucht der Franzosen bot den traurigsten Anblick: zuchtlose, wirre Heeres trümmer, tiefste Erschöpfung und Noth der Soldaten, finstere, verzweifelte Stimmung, massenhafte Desertion, namentlich unter den letzten rhcinbündischen Truppen. Napoleon selbst, der bis dahin seine stolze Ruhe bewahrt, war jetzt tief erschüttert. Niedergeschlagen, stumm und nachdenklich durchschritt er zu Fuß die Ebene von Lützen, wo sich vor wenigen Monaten das Kriegsglück noch ein mal zu seinen Gunsten gewandt hatte. Auch die Gegenden, wo vor sieben Jahren die Entscheidung von Jena und Auerstädt gefallen, wurden berührt. Welch eine erschütternde Wandlung! Die ganze Scenerie hatte eine nieder- drückende Aehnlichkeit mir dem Rückzug aus Rußland. Napoleon hatte einst gesagt, im Kriege bezeichne immer ein großes Unglück einen großen Schuldigen; er hatte damit sein eigenes Urtheil gesprochen. Bei der Krastüberspannung war zuletzt Stütze um Stütze zerbrochen, Triebfeder um Triebfeder erlahmt. Der Rückzug ging auf schwierigen Nebenwegen zunächst auf die Festung Erfurt zu. Bei Frei bürg au der Unstrut, beim Uebergang über diesen angeschwol lenen Fluß, kam cs noch einmal zu einem heftigen Gefecht mit nachrückenden Truppen vom Nork'schen Corps. Allein doch gelangte das Heer, das die Um sicht des Kaisers wieder in leidliche Ordnung zu setzen wußte, ziemlich unge fährdet nach Erfurt, wo die flüchtigen Massen sich sammeln und einigermaßen erholen konnten. Napoleons Absicht war es nicht, diesseits des Rheins noch eine große Schlacht zu wagen; er wollte nur möglichst schnell hinter dem sichern den Strome Zuflucht suchen; allein er mußte sich erst noch einmal mit dem Schwert den Weg bahnen. Nach Abschluß des Vertrags von Ried war Graf Wrede, der bairische Oberbefehlshaber, im Verein mit einem österreichischen Armcecorps, im Ganzen etwa 56,000 Mann gänzlich unberührter Truppen, vom Inn ausgebrochen, hatte mehrere Tage mit der Eroberung von Würzburg vergeudet und schickte sich