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IV. Umsturz und Neubau. 477 edelster, höchster Pflichtersü.lung den bitter-süßen Tod fürs Vaterland starben, die im Vollgefühl sittlicher und Lcibcskraft auf frei erkämpfter Muttererde zur ewigen Ruhe sanken; aber bciveinenswerth war das Loos der vielen Tausende, die, noch lebens fähig aus schweren Wunden blutend, aus der meilenweiten Wahlstatt umher lagen, mit Tobten, Sterbenden, Freunden und Feinden vermengt, nach Hülfe und Rettung jammernd und keine fanden. Tausende erlagen den Qualen der Wunden, dem Hunger und Durst bei Tage, dem Frost der kalten Octobcrnächte, che es gelang, sie in eilig geschaffene Hospitäler zu bringen. Und weit entfernt, gerettet zu sein, waren sic hier für neue namenlose Leiden aufgespart". Aus dem weiten Leichcnfclde ragten die Brandstätten von mehr als zwanzig Dörfern hervor, deren Bewohner hülslos und hungernd ein Obdach suchten. Eine Ueberlieserung meldet, die drei Monarchen seien bei der Sicgcsnachricht auf dem Hügel, wo sic die Schlacht beobachtet, nicdergeknict, um Dankgebete zum Himmel empor zu senden. Es war die rechte ungcsuchte Sieges feier dieses „heiligen Krieges". „Wer hatte mehr Ursache zum Dank als die Fürsten, welche dieser Sieg aus der Schmach von Austerlitz und Jena wieder emporhob't Den Gewaltigen, der bis in diese letzten Stunden größer und überlegener war als sie, hatte die Gottheit mit blindem Uebcrmuth geschlagen, bis seine Ricscnmacht vor den Schwä cheren im Staube lag. Den Völkern hatte sie den rechten Zorn und den guten Glauben an die eigene Kraft zurückgcgebcn, auf daß sic in heroischer Hingebung sühnten, was vor Allen die Könige und ihre Berather verschuldet hatten". „Da liegt also", schrieb Stein im ersten Triumph des Sieges, „das uiit A- Blut und Thräncn so vieler Millionen gekittete, durch die tollste und verruchtesteSu-lks Tyrannei aufgerichtete ungeheure Gebäude am Boden". Wie der Sonnenauf gang nach einer laugen finstern Nacht, so wirkte die große Kunde von Leipzig allenthalben in den deutschen Gauen. Das fast erloschene nationale Bewußtsein konnte sich wieder einmal an einer hohen Ruhmesthat aufrichtcn, und je bitterer die Dcmüthigung, je schmachvoller die Knechtschaft gewesen, um so größer war jetzt auch die stolze Gcnugthuung und freudige Begeisterung. Es zuckte ein Geist durch die deutsche Welt, dessen Wehen seit Jahrhunderten nicht mehr verspürt worden. Nicht nur die, denen es vergönnt war, in dem herrlichen Kampf mit- zufcchten, feierten in erregtem patriotischen Gefühl den glorreichen Sieg, der die nationale Wiedergeburt zu verbürgen schic»; auch da, wo man dem Welt- despotcn noch bis zur letzten Entscheidung hatte Hecrcsfolgc leiste» müssen, stimmte man mit ein in die Freude, daß die schweren Ketten gesprengt worden. Als beste nationale Erinnerung hielt unser Volk seitdem das Andenken an die große Völkerschlacht fest. Wohl konnte Arndt, als die Kunde „wie himmlische Cymbeln hell" zu ihm klang, ausrufen: „So lange rollet der Jahre Rad, so lange scheinet der Sonnenstrahl, so lange die Ströme zum Meere reisen, wird noch der späteste Enkel preisen die Leipziger Schlacht". Noch mischten sich da mals keine Mißklänge in die stolze Freude über die wiedererlangte Freiheit. Noch trübten nicht dynastische und diplomatische Künste die patriotische Gcnug thuung; noch wurde nicht am grünen Tisch verdorben, was das blanke Schwert gut gemacht. Allein die Maulwürfe, welche unter dem Werk der deutschen Er hebung und Befreiung ihre zerstörenden Gänge gruben, waren freilich schon leise