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476 Europa unter Bonapartischem Einfluß. werden, ui» den Rückzug der großen Armee zu decken; es waren ja fast nur Polen und Rheinbundstruppen, Badener, Hessen. In früher Morgenstunde setzten sich von drei Seiten die Heere der Verbündeten in Bewegung gegen die Stadt. In der östlichen, Griinma'schen Vorstadt, wo Bülow und Bennigsen den Sturmangriff unternahmen, und noch mehr in der nördlichen Halleschen, wo Sacken und Langeron eindrange», kam es noch einmal zu sehr heftigen und blutigen Kämpfen. Unter erbitterten Straßengefechte» mußten sich die Preußen und Russen den Einzug erzwingen. Um die Mittagsstunde waren sie Herren der Stadt und ein unerwartetes Ereigniß benahm dem Feinde die letzte Wider standskraft. Es wurde nämlich durch ein Mißverständlich die El sterbrücke, die erst nach vollendetem Rückzug der ganzen Armee zerstört werden sollte, zu früh in die Luft gesprengt, gerade als das dichte Gedränge flüchtiger Menschen darüber strömte, und damit den noch in der Stadt befindlichen Franzosen der Ausgang versperrt. In wirren Haufen drängte sich Alles nach dem angeschwol- lenen Fluß; viele retteten sich durch Schwimmen, darunter der Marschall Mac donald ; viele tausende aber ertranken in den Finthen oder kamen im Gedränge um. Ganze Haufen streckten die Waffen. Keine Feder vermag die Scenen der Verwirrung, Verzweiflung und des Entsetzens zu beschreiben, die sich in jenen Stunde» in den Straßen und Gürten Leipzigs abspiclten. Unter den von der Elster Verschlungenen befand sich der General Dumoustier und der Fürst Joseph Poniatowski, der in den letzten Tagen wunderbare Tapferkeit entfaltet hatte und auf dem Schlachtfeld zum Marschall erhoben worden. Schwer ver wundet, stürzte sich der polnische Held zu Pferde in den Fluß, der ihn sortriß. Was nicht über das Wasser gelangte, wurde gefangen genommen, darunter die Generale Rcynier und Lauriston. Auch der König von Sachsen wurde in Haft genommen und nach Berlin abgeführt. Di- Opfer Die Verluste, welche die Franzosen in den viertägigen Kämpfen erlitten, werden auf 15,000 Gefangene und auf 38,000 Todte und Verwundete be rechnet. Der Verlust der Verbündeten an Todtcn und Verwundeten wird noch höher, auf 45 bis 50,000 Mann geschätzt. Ganz Leipzig glich einem großen Lazareth und schwere Epidemien waren die Folge. Die zügelloseste Phantasie ist nicht im Stande sich ein Bild des Jammers in so grellen Farben auszumalcn, wie es die Wirklichkeit nach den Schilderungen von Augenzeugen bot. In einer Scheune zu Meusdorf fand man zehn Tage nach der Schlacht cinhundertvierund- siebzig Franzosen, die verwundet hierher gebracht und elend verkommen und ver hungert waren. Dergleichen schreckliche Vorkommnisse werden hundertfach be richtet. Bei der Massenhaftigkcit des Elends, der menschliche Hülfe nicht mehr gewachsen war, wurde selbst das Mitleid abgestumpft. Die Scenenmenschlichen Jammers, die uns der wackere, bald selbst vom Laza- rethficbcr wcggeraffte Arzt Reil enthüllt, sind über alle Beschreibung ergreifend, und wir wollen einen Schleier über dies düstere Gemälde breiten. „Selig die im Augenblick