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470 Europa unter Bonapartischem Einfluß. Kriegslast schwanden mehr und mehr dahin. Er gab den kühnen Plan, der das ganze Kricgstheater umgestaltct und die Heerführer der Verbündeten vielleicht in verderblicher Weise außer Fassung gebracht hätte, mit schwerem Herzen auf und setzte seinen Marsch in die Ebene von Leipzig fort, in der Hoffnung, er werde es hier zunächst mit dem böhmischen Heere allein oder gar nur mit einem Thcil desselben zu thun haben. Hier Zöge" sich nun von allen Seiten die Heere zusammen zu einem gewal- «ol'witz. tigcn Entschcidungskampf, wie ihn kaum je zuvor die Kriegsgeschichte gesehen. " Die würdige Einleitung war das große Reitergcsccht von Liebertwolkwitz, in welchem die Cavallerie der Vortruppen des böhmischen Heeres unter dem rus sischen General Graf Pahlen mit dem König von Neapel, Murat, blutig zu- sammenstieß und den berühmtesten Rciterführer der Franzosen empfindlich zurück schlug. Murat selbst, der es liebte in prunkvoller, fast komödiantenhafter Klei dung aufzutreten, mar in höchster Gefahr, von dem kecken Dragonerlieutenant Guido v. d. Lippe gefangen genommen zu werden. D» H-m j,n Die Ricsenschlacht, die jetzt in den weiten Ebenen um Leipzig entbrannte, ,«n «tipjig. skht an Wucht und Massenhasrigkcit, wie an Größe des auf dem Spiele stehen den Einsatzes, hinter keiner kriegerischen Begebenheit der Weltgeschichte zurück. Die Zahl der Streiter, die ihre Kräfte im Kampfe maßen, bleibt nicht weit unter einer halben Million; am letzten Schlachttage wird die Truppenzahl der Ver bündeten auf 300,000 Man», die der Franzosen um ein gutes Drittel geringer geschätzt; an den ersten Tagen aber war das Verhältniß für Napoleon lange nicht so ungünstig. Das Terrain ist eine von kleinen viclverzweigten Flüssen und sumpfigen Strecken durchschnittene Niederung, trotz vieler Unterbrechungen der Entfaltung großer Heeresmafscn günstig, doch erschwerte ein frühzeitiger kalter und regnerischer Herbst die militärischen Operationen. Napoleon mochte selbst auf den glücklichen Ausgang der Entscheidungsschlacht nicht mehr mit allzu großer Zuversicht blicken, als er von der Linde bei Wachau den Kampfplatz überschaute; die Ucbermacht der Verbündeten, wenn erst ihre volle Vereinigung vollzogen, war groß, seine eigenen Truppen waren kriegsmüdc und durch Ent behrungen entkräftet, seine Generale entmuthigt, er selbst befangen und unsicher. Kriegskundige haben seinen Anordnungen eine Reihe schwerer Fehler nachge- wiescn: die Heere der Verbündeten, die er noch getrennt fassen zu können hoffte, waren sich näher als er annahm, und die volle Vereinigung zu einer gewaltigen Ucbermacht wurde dann noch dadurch gefördert, daß Napoleon den zweiten Schlachttag zu nutzlosen Friedensvcrhandlungen mit Oesterreich verwandte und das Gefecht fast ganz abbrach, statt noch einmal auf die Entscheidung zu drängen oder aber den Rückzug anzutreten. Sehr bedenklich war ferner der Umstand, daß die Franzosen für den Fall einer Niederlage sich nur eine einzige Rückzugs straße. über Lindenau, offen hielten, und bei größerer Energie und Umsicht Schwarzenberg's wäre auch diese vielleicht abzuschneiden, das ganze Heer mit