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450 Europa unter Bouapartischem Einfluß wieder ausgenommen. Die Haltung dieses Reiches bei dem Wiederausbruch des Krieges mußte entscheidend für den Erfolg des neuen Waffengangs w'erden. Es fehlte in Oester reich bis hinauf in die aristokratischen, geistlichen, militärischen, höfischen Kreise nicht an Kriegslust und an Neigung, das aufgczwungcne französische Bündniß abzuwerfen, namentlich als die erschütternden Nachrichten aus Rußland ihrem ganzen Umfang nach bekannt wurden. Allein cS dauerte noch geraume Zeit, bis die kalte zurückhaltende Politik Kaiser Franz' II. und Mcttcrnich's cs für gerathen hielt, den natürlichen In teressen Oesterreichs wie der Stimme der Nation Folge zu geben. Man glaubte zuerst die Entwicklung der Dinge abwarten zu müssen und sich nach keiner Seite zu fest cin- lassen zu dürfen. Schon die Haltung des österreichischen Corps unter Schwarzenberg bei dem Rückzug aus Rußland bewies, daß man in Wien keineswegs gedenke, sich für die Napoleonische Sache auszuopfern; nebm den ofsiciellen Frcundschastsvcrsicherungcn an den Imperator gingen unausgesetzt geheime Verhandlungen mit Rußland, Preußen, England einher. Bis in den Herbst 1812 reichten die Verständigungsversuchc zwischen Oesterreich und Preußen über eine gemeinschaftliche Politik zurück. „Zeit zu gewinnen und geschickt zu laviren, nach beiden Seiten hin zu lauern, wo die geringste Gefahr und der größte Boctheil zu erlangen war, und wenn es irgend anging, durch eine ge schmeidige Vermittlung sich zwischen die streitenden Parteien zu werfen, das mußten die Wege einer Politik sein, wie sie Metternich cinschlug. Innere Sympathien für die deutsche und europäische Sache, die gegen Napoleon auszuscchten war, fielen hier nicht ins Gewicht; wenn von persönlicher Hinneigung die Rede war, so empfand sic Met ternich ohne Zweifel viel eher für Napoleon, als für die Reformer in Preußen oder für die Russen". Leichtfertig, haltlos, ohne Grundsätze und Festigkeit, wie der Mann, war auch seine Politik. Die drohende Uebermacht Rußlands und der nationale freisinnige Zug, der durch die preußische Erhebung ging, waren der Wiener Staatskunst nicht minder bedenklich als die Napoleonische Gewaltherrschaft. Auf die patriotischen Pro klamationen aus Norddeutschland fahndete die österreichische Polizei mit Eifer; gegen einige Führer deS Tiroler Aufstandes, wie Hormayr, die im Einvcrständniß mit hoch stehenden Personen, selbst Erzherzog Johann, auf eine neue Erhebung sannen, wurde mit aller Strenge cingcschrittcn, damit nicht Volksbewegungen das kunstvolle Netz der Diplomaten durchkreuzten. Doch deuteten die Berichte der französischen Gesandten in Wien, des bürgerlich-republikanischen Otto und nach dessen Abberufung des hocharisto kratischen Grasen Narbonne, mit immer größerer Dringlichkeit auf einen nahen Um schwung in Oesterreich hin. An die Stelle der Allianz trat allmählich die Friedens verwendung , dann die bewaffnete Intervention, endlich der offene Bruch, und Na poleon hat zu seinem Unglück durch Hochmuth und Trotz diese Entwicklung beschleunigt. Es war Metternich anfangs mit einer Friedcnsvermittlung, welche die französischen Interessen ausgiebig gewahrt, die Rhein- und Alpengrenze, die Stellung in der Schwei; und Italien dem Napoleonischen Kaiserreich zugestanden hätte, vollkommen Ernst. Allein der französische Kaiser gewann es zu seinem Verderben nicht über sich, diese „goldene Brücke" zu betreten und wesentliche Aenderungen an dem Umfang und dem System seiner Herrschaft in Aussicht zu stellen; niemals werde er sich dazu hcrbeilassen, vom Reiche etwas loszureißen, was durch Senatsbeschlüsse förmlich mit demselben ver einigt sei. Durch prahlerische hochmüthigc Reden suchte er die innere Schwäche seiner Macht zu verhüllen. Durch das geringe Entgegenkommen gegen die österreichischen Bermittlungsvorschläge trieb er die Wiener Regierung immer mehr den Alliirten in die Arme. Um noch einmal den Versuch zu machen, Oesterreichs energische Mitwirkung ">- Apm am Kriege zu erlangen, überbrachte Narbonne einen Vorschlag nach Wien, der nichts geringeres als die vollständige Theilung Preußens enthielt. Die Monarchie sollte danach