Volltext Seite (XML)
438 Europa unter Bonapartischem Einfluß. deutschen Sache abtrünnig sein und sich dadurch reif zeigen der verdienten Ver nichtung durch die Kraft der öffentlichen Meinung und durch die Macht gerechter Waffen! Es waren nationale Klänge, wie man sie damals zuerst in Deutschland zu hören begann. Der Freiherr vom Stein hatte die Anregung gegeben und selbst der moskowitische Hauch, der bei der Entstehung des Aufrufs wehte, die Unterschrift des Altruffen Kutusow. konnte die Wirkung nicht beeinträchtigen. Gleichzeitig ergingen ähnliche russische Aufrufe an die Bewohner Sachsens und Westfalens. Es war ein merkwürdiges Zeichen der neuen Zeit, selbst in den Aktenstücken des russischen Despotismus von Freiheit und Selbstbestimmung der Nationen reden zu hören! Es dauerte freilich nicht lange, bis man sich dieses warmen Tones fast zu schämen anfing. Mci^untü Volke, auch im Süden und Westen Deutschlands, blieben solche Worte '""mHiuUch nicht ohne zündende Wirkung ; aber die Rhcinbundsfürsten waren noch mit zu Sachsens, fxste,, Ketten der Furcht, der Dankbarkeit, der Verwandtschaft an Napoleon ge fesselt. Erst im Geschützdonner der nachfolgenden Weltschlachten wurde der Rheinbund gesprengt. Am meisten konnte man noch aus eine Erhebung in Sachsen hoffen; das Volk und die Armee waren von gutem Geiste für die deutsche Sache erfüllt; das Land überdies im Machtbereich der Verbündeten und vom französischen Schutze abgelegen. Rathlos und unentschlossen hatte sich der alte König Friedrich August, ein im privaten Leben ehrenwcrther. gutmü- thiger, aber an Geist und Charakter wenig begabter Fürst, mit seiner Familie, seinem Hof und seinen Schätzen außerhalb seines Reiches geflüchtet, erst nach dem Voigtlande, dann nach Rcgensburg und Prag; er fühlte sich dem franzö sischen Kaiser, der ihm die Königswürde und das Herzogthum Warschau ver liehen, der ihn stets mit Gunst und Vertrauen ausgezeichnet, tief verpflichtet; er hatte eine geradezu sklavische Verehrung für seinen hohen Alliirtcn wie für ein übermenschliches Wesen. Auf der andern Seite aber fürchtete er auch die Rache der Verbündeten und wagte nach keiner Richtung entschieden Partei zu ergreifen. Sein ganzes Heer war in der Festung Torgau vereinigt; der Oberbefehlshaber, General von Thielmannn, war durchaus für den Anschluß an die deutsche Sache gewonnen und verweigerte den Franzosen jede Hülfe. Thielmann war nahe daran, dein Beispiel Aork's zu folgen und konnte des Einverständnisses des 27. Axn> größten Theils seiner Armee versichert sein. Bei einem Festmahle, welches an das Wallenstein'sche Bankett erinnert, wollte er die Offiziere zum Uebertritt auf fordern, aber der Widerspruch des Generals von Sahr vereitelte das Vorhaben, zu dem auch Thielmann nicht den rechten Entschluß finden konnte. Der General nahm bald darauf seinen Abschied, trat in russische, dann in preußische Dienste und machte sich als kühner Parteigänger einen gefürchteten Namen. So hielt Sachsen zu seinem schweren Schaden noch länger bei Napoleon aus. Ms«E'>- In dem Ricsenkampfe, der sich jetzt erheben sollte, stand sonach zunächst "dnisM Deutschland in zwei feindliche Lager getrennt; noch konnte der nationale Gedanke Coalitiim.