430 Europa unter Bonapartischem Einfluß. Patrioten, selbst Auerswald und Schön, den Regierungspräsidenten von Gum binnen, die gegen die Einberufung der Stände unter Autorität des Zaren Be denken trugen und befürchteten, an Stelle der Franzosen möchte sich die russische Occupation dauernd im Lande festsetzen. Es kam zu heftigen Zerwürfnissen und leidenschaftlichen Zornesausbrüchen zwischen Stein und den leitenden Männern der Provinz. Allein der Glaube an die patriotischen Absichten des preußischen Reformators, die Macht seines gewaltigen Willens und die zwingende Roth des Augenblicks vermochten endlich doch so viel, daß man über die Formlosigkeit des Verfahrens hinwegsah und den Generallandtag von Ost- und Westpreußen nebst Litthauen einbcrief, „um die Eröffnungen des Bevollmächtigten des Kai sers von Rußland zu vernehmen". Der Regierungspräsident von Schön erwarb sich um die Versöhnung der schroffen Gegensätze große Verdienste. KSnUbttg der Königsberger Ständeversammlung, die im Gegensatz zu den russi- s-s scheu Einflüssen ihre legitime Autorität in Nork anerkannte, gab sich der leben digste und feurigste Patriotismus kund, der einmüthige Entschluß, zur Rettung des Heimatlandes Gul und Blut darzubringen; cs war der würdige und erhe bende Beginn der deutschen Befreiung, eine Frucht des frischen opferwilligen vaterländischen Geistes, den die vorangcgangene Reformzeit geweckt. Der frühere Minister Graf Alexander Dohna und der Oberbürgermeister Heidemann von Kö nigsberg erwarben sich die wesentlichsten Verdienste um den ersprießlichen Erfolg des Landtags. Die allgenieine Landcsbewaffnung, die in Königsberg beschlossen wurde, bestand in der Verpflichtung aller kriegstüchtigen Männer von achtzehn bis fünfundvicrzig Jahren zum Dienst in der Landwehr; die Provinz machte sich anheischig, auf eigene Kosten 30,000 Wehrmänncr ins Feld zu schicken; daneben sollte noch der Landsturm, mit bäuerlichen Waffen ausgerüstet und nur in rohen Umriffen militärisch organisirt, im Fall eines feindlichen Angriffs auf die Provinz aufgeboten werden. Eine von den Ständen erwählte Generalcom- mission übernahm an Stelle der ordentlichen Regierungsbehörden die Durchfüh rung der beschlossenen Maßregeln. Die königliche Bestätigung dieser eigenmächtig getroffenen Organisationen blieb lange aus; das alte Mißtrauen gegen die na turwüchsigen Regungen des Volksgeistes übte noch immer seine Wirkung, so sehr sich auch die Königsbergcr Versammlung bemühte, ihre loyale königstreue Gesinnung zu bcthätigen und die russische Autorität nicht weiter aufkommen zu lassen, als es der Zwang der Umstände mit sich brachte. Allein trotz der Zu rückhaltung der officiellen Kreise, die noch immer an der Gewohnheit der alten absoluten Ordnungen festhielten, nahm die Volksbewaffnung in Ostpreußen ihren unaufhaltsamen Fortgang, und als die Stunde schlug, da man mit höchster Bewilligung in den Krieg ziehen durfte, stand die östliche Grenzmark als die erste kampfgerüstet da. Es war die Morgcnröthe der Freiheit, die in jenen Tagen im Osten aufflammte und die noch von dichten Wolken verhüllte deutsche Welt erhellte.